Börse:Finanzkrise gefährdet Amerikas Wirtschaft

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Die Krise an den Finanzmärkten droht größeres Unheil anzurichten als bislang gedacht. US-Finanzminister Paulson warnte erstmals, die Konjunktur werde unter den Turbulenzen leiden. Warum die US-Regierung dennoch nicht eingreifen will.

Martin Hesse und Nikolaus Piper

Der Kursrutsch an den Weltbörsen beschleunigt sich und könnte auch die Konjunktur gefährden. Der US-Finanzminister Hank Paulson warnte, das Wachstum in den USA werde sich durch die Finanzkrise verlangsamen.

Allein in den Vereinigten Staaten wurden seit Beginn der Finanzkrise im Juli mehr als zwei Billionen Dollar an Börsenwerten vernichtet. Paulson sagte dem Wall Street Journal, der Abschwung an den Finanzmärkten werde "bei der Wachstumsrate der amerikanischen Wirtschaft eine Strafe fordern".

Die Vereinigten Staaten sind die größte Wirtschaftsnation der Welt. Die Äußerung Paulsons ist ungewöhnlich, denn normalerweise meiden hochrangige Politiker öffentliche Erklärungen zur Entwicklung der Börsen. Paulson sagte allerdings, er sei zuversichtlich, dass die Märkte und die Wirtschaft stark genug seien, um die Verluste aufzufangen, ohne eine Rezession in den Vereinigten Staaten auszulösen. Ausdrücklich wandte sich der US- Finanzminister gegen Eingriffe der Regierung in die Märkte. "Es gibt aus meiner Sicht nichts, das wir unternehmen sollten, um die Marktteilnehmer gegen Verluste abzusichern."

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy forderte in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Finanzminister der sieben führenden Industriestaaten (G7) sollten bei ihrer Tagung im Oktober in Washington die Finanzkrise auf die Tagesordnung setzen.

Es gehe darum, die Transparenz an den Finanzmärkten zu erhöhen, schrieb Sarkozy. Merkel ist derzeit Vorsitzende der Vereinigung der sieben führenden Industriestaaten. Sarkozy fordert, eine "Achse des Fortschritts" zu bilden. Der französische Präsident zeigte sich zugleich "überzeugt, dass die Marktbewegungen das Wachstum unserer Volkswirtschaften nicht dauerhaft beeinträchtigen sollten".

Der Kursrutsch an den Weltbörsen hatte sich am Donnerstag fortgesetzt. Zu den Verlierern zählten besonders Aktien großer Banken. In Frankfurt ging der Dax um 2,36 Prozent auf 7270,07 zurück.

Auch der Dow Jones an der Wall Street verlor zunächst deutlich, schloß dann aber mit nur noch minus 0,11 Prozent bei 12846. In Europa war die Londoner Börse besonders stark vom Ausverkauf betroffen, weil der dortige Leitindex FTSE100 von Finanz- und Rohstoffaktien getragen wird. Investoren fürchten, die Kreditkrise könnte die Nachfrage nach Metallen und Energie schmälern.

Existenzbedrohende Krise

Die amerikanische Notenbank Federal Reserve griff auch am Donnerstag in das Börsengeschehen ein. Die Fed pumpte 17 Milliarden Dollar in den Markt. Damit hat die Bank im Laufe einer Woche 57 Milliarden Dollar bereitgestellt, um eine plötzliche Verknappung der Kredite und weitere Krisen zu verhindern.

Alles in allem stellten die großen Notenbanken den Kreditinstituten damit seit Mitte voriger Woche 300 Milliarden Euro zusätzlich bereit. In New York hielten sich hartnäckig Gerüchte, die Notenbank wolle noch vor ihrer nächsten regulären Sitzung im September die Zinsen senken.

Wegen der Marktturbulenzen geriet inzwischen auch die größte Hypothekenbank der Vereinigten Staaten, Countrywide Financial, in eine möglicherweise existenzbedrohende Krise. Die Bank lieh sich 11,5 Milliarden Dollar zusätzlich, um ihr Überleben zu sichern. Zuvor hatte ein Analyst der Investmentbank Merrill Lynch über einen drohenden Bankrott von Countrywide spekuliert.

Der Rohölpreis gab am Donnerstag zeitweise um fast zwei Dollar nach; auch Kupfer, Nickel und andere Metalle verbilligten sich. In den vergangenen Jahren hatte das starke Wirtschaftswachstum die Rohstoffpreise weltweit steigen lassen. Zudem hatten aber auch Spekulanten die Kurse angetrieben. Sie ziehen als Konsequenz der Finanzkrise jetzt Geld aus allen riskanten Anlagen ab, von Aktien über Unternehmensanleihen bis zu Rohstoffen.

© SZ vom 17.08.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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