Berechnungen des Bundesfinanzministeriums:Spitzenverdiener zahlen weniger Steuern

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Bürger mit hohen Einkommen sind durch die rot-grüne Steuerreform besonders kräftig entlastet worden. Aber auch Geringverdiener haben profitiert.

Ulrich Schäfer

Die rot-grüne Reform ist ab 2001 stufenweise in Kraft getreten und hat zu einer gewaltigen Verschiebung im Gefüge der Steuerzahler geführt. Dies zeigen bislang unveröffentlichte Zahlen des Bundesfinanzministeriums.

Besserverdiener zahlen den größten Teil der Einkommenssteuer. Allerdings hat sich ihr Beitrag seit 2002 deutlich verringert. Auch Millionen von Geringverdienern zahlen weniger an das Finanzamt. Für viele ist der persönliche Steuersatz - genannt: Grenzsteuersatz - unter 20 Prozent gesunken. (Foto: Grafik: SZ)

Demnach werden die Deutschen in diesem Jahr beinahe so viel Lohn- und Einkommensteuer zahlen wie 2002, alles in allem 180 Milliarden Euro. Damals allerdings lag der Spitzensteuersatz noch bei 48,5 Prozent, der Eingangstarif bei 19,9 Prozent; heute sind es lediglich 15 bis 42 Prozent.

Nicht nur der Tarifverlauf hat sich kräftig verändert, sondern auch die Struktur der Steuerpflichtigen. So ist die Zahl derjenigen, die einen Satz von mehr als 40 Prozent zahlen, kräftig gesunken; zugleich ist die Zahl derjenigen rasant gewachsen, die weniger als 20 Prozent entrichten. Sie stieg von hunderttausend im Jahr 2002 auf über zwei Millionen.

"Erhebliche Veränderung bei der Schichtung der Steuerpflichtigen"

Die Geringverdiener müssen im Durchschnitt etwa 500 Euro pro Jahr entrichten. Sie stellen ein Zehntel aller Steuerzahler und kommen für 0,6 Prozent der Einnahmen auf.

Vor der Reform haben sie fast alle einen höheren Tarif bezahlt. Die Topverdiener mit einem Satz von über 40 Prozent überweisen im Durchschnitt fast 50.000 Euro ans Finanzamt; dieser Gruppe gehören acht Prozent aller Steuerpflichtigen an, sie trägt fast 44 Prozent des gesamten Aufkommens.

Das Finanzministerium hat die Zahlen für 2006 mit einem mikroökonomischen Simulationsmodell ermittelt. Es handelt sich also um eine Hochrechnung. Erfasst wurden dabei Privatpersonen, aber auch Unternehmen, die als sogenannte Personengesellschaft geführt werden; diese unterliegen ebenfalls der Einkommensteuer.

Wie sich die Steuerlast tatsächlich verteilt hat, werden die Beamten von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) erst in mehreren Jahren wissen, wenn das Statistische Bundesamt die Daten der Finanzämter ausgewertet hat.

Schon jetzt sei klar, dass es "zu einer erheblichen Veränderung bei der Schichtung der Steuerpflichtigen" gekommen ist, schreibt die Staatssekretärin des Finanzministeriums, Barbara Hendricks, in einer parlamentarischen Antwort an den FDP-Bundestagsabgeordneten Volker Wissing.

Generell gelte, "dass es im Zuge der Steuerreform bei allen Steuerpflichtigen zu einer Senkung des Grenzsteuersatzes gekommen ist". Wie sich aus den Daten ablesen lässt, sind die Menschen am oberen Ende der Einkommensskala aber kräftiger entlastet worden als diejenigen am unteren Ende.

Die Zahlen dürften auch die Debatte beeinflussen, wie die große Koalition mit den unverhofften Mehreinnahmen umgeht.

Weil die Konjunktur gut läuft, die Unternehmen bestens verdienen und zudem mehr Menschen einen Job haben, werden die Finanzämter allein in diesem Jahr insgesamt mindestens 20 Milliarden Euro mehr einnehmen, als noch im Frühjahr erwartet; ein kleinerer Teil davon entfällt auf die Lohn- und Einkommensteuer, der größere auf die Mehrwert- , Körperschaft- und Gewerbesteuer.

Für 2007 erwarten die Mitglieder des Arbeitskreises Steuerschätzung ein Plus von mindestens 15 Milliarden Euro. Die Schätzer von Bund, Ländern, Kommunen und Instituten tagen am Donnerstag und Freitag in Gmund am Tegernsee.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich am Wochenende dafür ausgesprochen, einen Teil des zusätzlichen Steuergeldes in die Sozialkassen umzuleiten und auf diese Weise die Lohnnebenkosten zu senken. Derzeit sei dafür aber aufgrund des "strukturellen Haushaltsdefizits" aber noch kein Spielraum erkennbar, ergänzte am Montag ein Regierungssprecher.

Das Finanzministerium und Haushaltspolitiker von Union und SPD plädierten dafür, in den nächsten Jahren erst einmal die Neuverschuldung des Bundes stärker als geplant zu senken.

Eine Rolle spielen auch die Unwägbarkeiten bei der geplanten Reform der Unternehmensteuern. Die Experten von Union und SPD rechnen damit, dass das Vorhaben anfangs eine Lücke von fünf Milliarden Euro in die Steuerkasse reißen wird - möglicherweise aber auch von acht Milliarden Euro, falls die Reform nicht den erhofften Schub für die Konjunktur bringt.

NRW-Finanzminister Helmut Linssen (CDU) warnte vor Milliarden-Geschenken für die Konzerne. Die bisherigen Pläne passten "vorne und hinten nicht, wie unsere Berechnungen zeigen".

© SZ vom 31.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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