Beitragssenkung:SPD will Arbeitnehmer um 200 Euro entlasten

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Die Sozialdemokraten planen, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung für Beschäftigte zu senken - nicht aber für die Unternehmen.

G. Bohsem und C. Hulverscheidt

In der SPD gibt es Überlegungen, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung für die Beschäftigten, nicht aber für die Unternehmen kräftig zu senken. Der stellvertretende Fraktionschef Joachim Poß sagte der Süddeutschen Zeitung, er könne sich die Idee als Teil eines SPD-Gesamtkonzepts zur Steuer- und Abgabensenkung gut vorstellen. Das Modell habe "viel Charme" und deshalb seine "volle politische Unterstützung".

Die SPD will die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für Arbeitnehmer senken - nicht jedoch für Arbeitgeber. (Foto: Foto: ddp)

Der Vorschlag stammt vom haushaltspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider. Schneider sagte der SZ, eine weitere Entlastung der Betriebe sei angesichts der bereits vollzogenen Beitragssenkungen nicht nötig. Dagegen bräuchten vor allem Arbeitnehmer mit geringerem Gehalt ein höheres Nettoeinkommen, um mit den gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreisen klarzukommen. Ein Durchschnittsverdiener käme durch das Konzept auf eine jährliche Ersparnis von bis zu 200 Euro, die Bürger insgesamt würden um sechs bis sieben Milliarden Euro entlastet. "Das ist das Dreifache dessen, was eine Wiedereinführung der Pendlerpauschale bringen würde", betonte Schneider.

Bei der Union dürfte seine Idee dennoch auf heftigen Widerstand stoßen. Zwar wollen auch CDU und CSU den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung von derzeit 3,3 auf drei oder gar 2,8 Prozent des Bruttolohns senken. Allerdings sollen davon Arbeitnehmer wie Arbeitgeber gleichermaßen profitieren. Schneider will dagegen den heutigen Arbeitgeberanteil von 1,65 Prozent festschreiben. Der Beitrag der Arbeitnehmer könnte dann auf 1,35 bis 1,15 Prozent sinken.

Kritik an dem Modell kommt aus der Wirtschaft. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Martin Wansleben, sagte der SZ, sein Verband halte nichts davon, den Arbeitnehmerbeitrag einseitig zu senken. Die Lohnzusatzkosten für die Unternehmen müssten reduziert werden, da in der Krankenversicherung Beitragssteigerungen zu befürchten seien.

"Gift für die Arbeitsnachfrage"

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sprach von Vorwahlkampfgetöse "Von der Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags geht nur dann eine doppelt positive Wirkung aus, wenn sie auf beiden Seiten der Beitragszahler Entlastung bringt: Arbeitnehmer haben mehr netto in der Tasche, und mehr Menschen erhalten die Chance auf einen neuen Arbeitsplatz, weil der Kostenfaktor Arbeit für die Arbeitgeber sinkt", hieß es.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, sagte, das Konzept sei konjunkturpolitisch wenig überzeugend, da nur die Arbeitnehmer, nicht aber die Empfänger von Arbeitslosengeld, die viel Geld für den Konsum ausgeben, entlastet würden. "Ein solcher Eingriff ins System würde zudem die Verantwortungen für die Arbeitslosigkeitsabsicherung stärker auf die Unternehmen verlagern, was Gift für die Arbeitsnachfrage wäre", sagte Zimmermann. Ein weiteres Argument gegen das SPD-Konzept ist, dass das Prinzip der paritätischen Finanzierung der Sozialkassen weiter durchlöchert würde.

Anders als bei den jetzigen Plänen gingen allerdings alle bisherigen Reformen zulasten der Arbeitnehmer und zugunsten der Betriebe. So müssen die 50 Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung bei einem Durchschnittsbeitrag von 14,9 Prozent 7,9 Prozent, die Firmen aber nur sieben Prozent zahlen. Der Versicherte kommt allein für die zusätzlichen Kosten von knapp fünf Milliarden Euro auf.

Arbeitnehmer zahlen mehr

Die paritätische Krankenkassenfinanzierung wird noch durch einen weiteren Umstand aufgeweicht: In den kommenden sieben Jahren will der Bund seinen Zuschuss an die Kassen stetig erhöhen, von 2,5 Milliarden auf schließlich 14 Milliarden Euro pro Jahr. Gemessen an den heutigen Ausgaben würde der Anteil der steuerfinanzierten Ausgaben auf knapp zehn Prozent steigen. Der Bund würde neben Arbeitgebern und Arbeitnehmern zum dritten Akteur.

Ähnlich sieht es in der Rentenversicherung aus. Zwar teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Beitragssatz von 19,9 Prozent zur Hälfte. Doch überweist der Bund pro Jahr etwa 80 Milliarden Euro an die Rentenversicherung und zahlt damit ein Drittel der Ausgaben. Zudem wird das Niveau der Rentenzahlungen im Alter so weit abgesenkt, dass die Bürger auf eigene Kosten zusätzlich vorsorgen müssen.

In der Pflegeversicherung ist die Situation noch unübersichtlicher. Exakt geteilt wird der Beitrag, wenn der Mitarbeiter Kinder hat und nicht in Sachsen arbeitet: 0,975 Prozent für ihn und 0,975 Prozent für den Betrieb. Hat er keine Kinder, muss er 1,225 Prozent bezahlen, während der Anteil des Arbeitgebers bei 0,975 Prozent bleibt. In Sachsen zahlen kinderlose Arbeitnehmer 1,725 und solche mit Kindern 1,475 Prozent. Sachsen ist das einzige Bundesland, das den Buß- und Bettag nicht als gesetzlichen Feiertag abgeschafft hat, um die Unternehmen für die Einführung der Pflegeversicherung zu entschädigen. Praktisch zahlen also bundesweit die Arbeitnehmer ohnehin den weitaus größten Teil des Pflegebeitrags.

© SZ vom 01.08.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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