Bedingt glücksfähig:Die Deutsche Bank sucht das Glück

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Im Kapitalismus lässt es sich zufrieden leben. Zumindest, wenn man nicht gerade in Deutschland wohnt.

Thorsten Denkler, Berlin

Deutsche Bank, Hauptstadtrepräsentanz "Unter den Linden". Im Dachgeschoss stehen Herren in dunklen Anzügen und perfekt gebundenen Krawatten und Damen im Kostüm beisammen.

Es wird diskutiert, Stirn in Falten, Arme vor der Brust verschränkt. Mit ernster Miene warten sie auf den Beginn der bevorstehenden Diskussionsrunde. Es geht um etwas ernstes, etwas sehr wichtiges für das Fortbestehen der deutschen Wirtschaft. Es geht um das Glück.

Forscher der Deutsche Bank Research, dem "Think Tank" des größten deutschen Geldhauses, haben herausgefunden: Wer das Glück sucht, sollte nach Australien gehen. Oder in die Schweiz. England ginge auch noch und die USA. Aber nicht Deutschland. Deutschland, lautet das Ergebnis der Studie "Die glückliche Variante des Kapitalismus", ist nur bedingt glücksfähig.

Kann Deutschland glücklicher werden?

Drei Kern-Varianten des Kapitalismus hat Studienleiter Stefan Bergheim unter 22 Volkswirtschaften "identifiziert": Die glückliche, die weniger glückliche und die unglückliche Variante. Elf der 22 Staaten gehören zu den glücklichen, Deutschland gehört zur mittleren Gruppe, zu den weniger glücklichen.

"Komisch", flüstert einer der Gäste seinem Gegenüber zu. "Ich habe mich immer als glücklich empfunden." So kann man sich täuschen.

Mit den Schatteneinseiten des Kapitalismus haben sich schon viele beschäftigt. In der wenig entfernten Volkbühne läuft seit Jahren mit Erfolg eine Veranstaltungs-Reihe unter dem Titel "Kapitalismus und Depression". Aber Kapitalismus und Glück - passt irgendwie nicht zusammen.

In Australien schon. Nach Bergheims Studie leben die Menschen am anderen Ende der Erde im weltweit glücklichsten Kapitalismus. Das freut den Botschafter Ian Kemish, der sich speziell für die Glücksdiskussion in der Deutschen Bank den Nachmittag freigehalten hat.

Kemish bringt die Antwort auf die Frage, warum die Australier so glücklich sind auf eine einfache Formel: "Weil wir unser Glück selbst gemacht haben."

Was aber macht einen glücklichen Kapitalismus aus? Zehn Faktoren sind es, darunter der Grad des Vertrauens in die Mitmenschen, geringe Korruption, niedrige Arbeitslosigkeit.

Trifft alles nicht auf Deutschland zu. Da hilft auch die relativ hohe Arbeitsplatzsicherheit nicht. Bergheim will festgestellt haben, das in glücklichen Ländern die Arbeitsplätze viel unsicherer sind. Eine freie Wirtschaft trägt zum Glück bei. Mit anderen Worten: Die streng regulierte deutsche Wirtschaft ist ein Glückskiller erster Güte.

Das würde zur These des australischen Botschafters passen, wonach derjenige glücklicher ist, der sein Glück selbst gesucht und gefunden hat.

Das ist nicht nur eine Frage des Geldes. Zwar trägt ein hohes Einkommen zum Glück bei. Aber Bergheim hat herausgefunden, dass bei gleich hohem Einkommen arbeitende Menschen glücklicher sind, als Arbeitslose. Die Menschen müssen eine Aufgabe haben.

Kann Deutschland glücklicher werden? Ja, sagt Bergheim. Aber dafür müsste es eine glücksorientierte Politik geben. Die sollte zwei Prioritäten haben. Mehr Kinder, weniger Arbeitslose. "Ein Arbeitslosenquote von vier Prozent ist möglich", sagt Bergheim. Wie das gehen soll, sagt er nicht.

Botschafter Kemish hat übrigens noch eine ganz besondere Beziehung zum Glück. Vorfahren seiner Frau sind 1868 aus Deutschland nach Australien emigriert. Sie kamen aus Glücksstadt.

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