Bauvorschriften in München:Der Dschungel ist übersichtlicher

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Die Eingabeplanung ist vollständig, die Unterlagen sind perfekt und trotzdem geht es nicht weiter, weil dem Bezirksausschuss der Bau nicht gefällt: In München müssen Bauherren viele Details beachten.

Gudrun Passarge

Wer in München bauen will, sollte sich vorher gut einarbeiten in die Materie, oder sich die Hilfe sachkundiger Experten holen. Allerdings reicht es nicht aus, einen vollständig ausgefüllten Bauantrag abzugeben. Erika Schindecker rät vielmehr, das Projekt gleich im Vorfeld mit allen zuständigen Stellen abzustimmen. Das sei das Wichtigste in ihrem Beruf als Geschäftsführerin der Erika Schindecker Gesellschaft für Organisation, Vorbereitung und Betreuung von Bauobjekten.

Blick von der Maximilianstraße nach Norden: Das geplante Bürogebäude am Karl-Scharnagl-Ring schiebt sich in die Sichtachse der Flaneure und der Autofahrer auf dem Altstadtring. Der Bezirksausschuss lehnt allerdings die Fassade ab. Damit verzögert sich der Baubeginn. (Foto: Simulation: Accumulata und IMBW München)

Die Frau mit dem Faible für Baurecht kennt sich aus. Die frühere Leiterin des Bauamts einer Gemeinde im Landkreis Rosenheim beschäftigt sich bereits seit 25 Jahren als Münchner Unternehmerin mit Bauanträgen. "Ich habe etwa 2000 Verfahren in dieser Zeit betreut." Deswegen weiß sie auch, dass Baurecht in der Landeshauptstadt recht kompliziert ist und einige Fallstricke bereit hält - selbst wenn der Bauantrag vorbildlich ausgearbeitet ist. "Es gibt Dinge, die können Sie nicht vorhersehen."

Wie im Fall des Bürogebäudes am Karl-Scharnagl-Ring. "Die Eingabeplanung war vollständig, die Unterlagen perfekt. Aber wenn der Bezirksausschuss sagt, es gefällt ihm nicht, da können Sie gar nichts machen. Das verzögert natürlich das Projekt", führt sie aus, um gleich anzumerken, dass es ein Problem in München sei, dass der Bezirksausschuss so viel Macht habe.

Da fallen ihr gleich auch noch die Fichten als Beispiel ein. Seit Jahren schon bemühe sich der Stadtrat, Fichten aus der Baumschutzverordnung herauszunehmen, "aber der Bezirksausschuss wollte nicht. So ist es bis heute nicht gelungen, etwas zu ändern". Ob mit oder ohne Fichten, tatsächlich sind Bäume und der mangelhafte Abstand geplanter Gebäude nicht selten der Grund, warum Bauanträge nochmal überarbeitet werden müssen.

Wie weit muss denn das Haus vom schützenswerten Baumbestand wegstehen? Die 55-Jährige will nichts Falsches sagen und zieht einen Aktenordner heraus. Gut 40 solcher Ordner stehen in ihrem Büro aufgereiht in den Schränken, alles Bauvorschriften. "Da haben wir es ja", sagt sie zufrieden. Es sind 1,5 Meter Abstand von den Kronen großer Bäume, fünf Meter bei Bäumen in Säulenform.

Wenn die Projektberaterin davon spricht, ein Bauvorhaben vorher mit allen beteiligten Gremien abzustimmen, dann schließt das auch den Kontakt zu den Nachbarn ein, besonders wenn gemeinsame Grundstücksgrenzen vorhanden sind. Bei mancher Baulücke, gerade in der Innenstadt, sind die Handwerker darauf angewiesen, unter das anliegende Grundstück zu gehen, jedenfalls, wenn sie kostengünstig bauen wollen. "Aber die Nachbarn verlangen meist Geld für die Nutzungsrechte. Das muss vorher abgeklärt werden", empfiehlt Schindecker. Wie überhaupt das Bauvorhaben als solches mit dem Nachbarn abgesprochen sein sollte.

Vor Überraschungen ist ein potenzieller Bauherr nie sicher. Beispielsweise, wenn er ein freies Grundstück am Rand der Stadt erbt, welches er bebauen will. Schindecker erinnert sich an einen Fall aus Trudering. Ringsherum standen schon schmucke Häuschen, trotzdem mussten die neuen Besitzer feststellen, dass sie selbst nicht bauen durften, weil es sich um ein Grundstück handelte, das als Außenbereich im Innenbereich galt. Dafür muss die Stadt erst Baurecht durch einen Bebauungsplan schaffen, "das kann zwei bis vier Jahre dauern", sagt Schindecker.

Gab es einen besonders schwierigen Fall in den 25 Jahren Beratertätigkeit? Erika Schindecker überlegt eine Weile, bevor ihr die Lindwurmstraße einfällt. Ihre Klientin wollte dort eine Baulücke schließen, das Baurecht war vorhanden. Aber wegen der U-Bahn-Haltestelle vor dem Grundstück war es nicht möglich, eine Tiefgarage zu bauen und die damit vorgeschriebenen Stellplätze nachzuweisen. "Ich habe ein Jahr lang gekämpft, sämtliche Wortprotokolle der Stadtratssitzungen zum Thema ,Verkehr raus aus der Stadt' gelesen", erinnert sich die Projektberaterin. "Die schriftliche Begründung, die ich schließlich eingereicht habe, war fast eine Doktorarbeit." Immerhin, es hat sich gelohnt. Die Klientin durfte bauen - auch ohne Stellplätze. "Ich habe die Stadt mit ihren eigenen Waffen geschlagen. Aber das war ein absoluter Einzelfall."

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