Bankenkrise:Historischer Kurssturz

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Dem Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate drohen nach dem Einbruch an der Börse Klagen - Anwälte prüfen die Forderungen auf Schadensersatz. Die Finanzkrise sorgt weiter weltweit für Unruhe an den Börsen.

A. Hagelüken, M.Hesse und C.Nohn

Nach dem zweithöchsten Einbruch einer deutschen Standardaktie in fünf Jahren prüfen Anwälte Klagen auf Schadensersatz. Nach ihrer Ansicht hätte die Immobilienbank Hypo Real Estate Verluste früher berichten müssen. Die Finanzkrise verschärft Sorgen um die Konjunktur und erzeugt weltweit Kursverluste.

In den Fall Hypo Real Estate (HRE) haben sich mehrere Anwaltskanzleien und Aktionärsschützer eingeschaltet. Der Konzern hatte am Dienstag überraschend mitgeteilt, 390 Millionen Euro auf US-Wertpapiere abschreiben zu müssen, die wegen fauler Immobilienkredite an Wert verloren haben.

Daraufhin war der Kurs des Unternehmens um 37 Prozent eingebrochen, der zweithöchste Verlust einer deutschen Top-Aktie aus dem Deutschen Aktienindex Dax in den vergangenen fünf Jahren.

Nach Meinung der Anwälte hat Hypo Real Estate zu spät eingeräumt, Probleme mit der weltweiten Finanzkrise zu haben. "Ich bin mir sicher, dass sich die Gerichte mit diesem Fall beschäftigen werden", sagt Rechtsanwalt Peter Gundermann von der Bremer Kanzlei Tilp. Er prüfe im Auftrag mehrerer privater und institutioneller Investoren Ansprüche auf Schadensersatz.

"Es ist nicht glaubwürdig, dass bei der letzten Bilanzpresskonferenz noch keiner geahnt hat, dass solche Auswirkungen zu befürchten waren", sagt Gundermann. Bei der Vorstellung der Zahlen für das dritte Quartal im November hatte Konzernchef Georg Funke gesagt, man gehe "gestärkt aus der Krise hervor".

Über Nacht

Auch Klaus Nieding von der Kanzlei Nieding und Barth sagt: "Für unsere Mandanten ist es nur schwer vorstellbar, dass der Wertberichtigungsbedarf plötzlich quasi über Nacht erkannt worden sein soll." Vorstand und Aufsichtsrat seien verpflichtet, ein System zu unterhalten, welches unverzüglich börsentägliche Risiken meldet.

Sollten sich die konzerninternen Kontrollinstrumente als nicht dem Aktiengesetz entsprechend erweisen, mache sich der Vorstand selbst schadensersatzpflichtig. Der Konzern wies die Vorwürfe zurück, man haben gegen die Mitteilungspflichten verstoßen.

Die Finanzkrise schickte am Mittwoch weltweit Börsen auf Talfahrt. Der japanische Nikkei-Index verlor 3,3 Prozent und fiel auf den niedrigsten Stand in zwei Jahren. Der Hang-Seng-Index in Hongkong büßte 5,3 Prozent ein.

Der Deutsche Aktienindex verlor kaum an Boden, allerdings nahmen Anleger Gewinne bei Kursraketen wie der Deutschen Börse (minus 5,8 Prozent) mit. Die Wirtschaftsweisen Peter Bofinger und Wolfgang Franz glauben, dass der Höhepunkt der Finanzmarktkrise längst noch nicht erreicht ist.

Kursänderung

Mehrere Analysten stuften das Kurszziel für die Aktien von Hypo Real Estate zurück. Sie befürchten, dass die Krise noch nicht ausgestanden ist. Im ersten Quartal dieses Jahres könnten noch weitere Abschreibungen nötig sein. Das hatte auch Konzernchef Funke nicht ausgeschlossen.

"Im schlimmsten Fall wäre sogar eine Kapitalerhöhung nötig", sagt Philipp Hässler vom Analysehaus Equinet: "Davor hat der Markt Angst, was den heftigen Kursabsturz erklärt." Er halte den Einbruch der Aktie allerdings für überzogen. "Das Umfeld für das operative Geschäft von Hypo Real Estate ist weiterhin gut", sagt Hässler.

Analysten rechnen damit, dass auch für andere Banken die Kreditkrise nicht ausgestanden ist. "Wir werden für das vierte Quartal noch große negative Zahlen sehen", sagte Thomas von Lüpke von der Ratingagentur Fitch. An der Börse kam vor allem die Commerzbank-Aktie unter Druck, sie verlor wegen Spekulationen über Sonderabschreibungen vier Prozent.

© SZ vom 17.01.2008/sho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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