Banken verteuern Kredite:Teufelskreis ohne Ausweg

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Horrorszenario in der Finanzwelt: Weil sich die Hinweise auf eine US-Rezession immmer mehr verdichten, überprüfen die Ratingagenturen ihre Methoden - und heizen damit die Spekulationen über ein Schrumpfen der Wirtschaft zusätzlich an.

Martin Hesse und Nikolaus Piper

Immer mehr Banken verschärfen als Reaktion auf die Hypothekenkrise und die verschlechterten Wirtschaftsaussichten die Regeln für neue Kredite. Besonders in den Vereinigten Staaten wird die Finanzierung für Investoren und Verbraucher teurer. Neue Konjunkturdaten deuten auf eine Rezession in Amerika hin.

Schlechte Stimmung an der New York Stock Exchange: Nicht nur Passanten hoffen auf bessere Zeiten. (Foto: Foto: AP)

Der an den Finanzmärkten viel beachtete ISM-Index für den Dienstleistungssektor ist im Januar überraschend stark gefallen. Der Index, der auf einer Umfrage unter Einkaufsmanagern beruht, erreichte den tiefsten Stand seit Oktober 2001 und signalisiert, dass die Branche mit einer Rezession rechnet. An den Börsen brachen die Kurse daraufhin ein, der Dax verlor zeitweise fast drei Prozent.

Standards angezogen

In die gleiche Richtung deutet eine Umfrage der amerikanischen Notenbank Federal Reserve. Danach haben die Banken während der vergangenen drei Monate ihre Standards für eine breite Palette von Krediten verschärft. Gleichzeitig sei die Nachfrage nach Konsumenten- und Gewerbekrediten gesunken. Ein Drittel aller amerikanischen Banken habe ihre Kreditvergabe verknappt. Bei den amerikanischen Töchtern ausländischer Kreditinstitute ist die Risikoscheu sogar noch stärker gestiegen: Zwei Drittel verschärften die Maßstäbe für neue Kredite. 85 Prozent aller ausländischen Banken erhöhten die Spanne zwischen Soll- und Habenzinsen - ein Indiz für die wachsende Vorsicht im gesamten Kreditsektor.

Nach der Umfrage der Fed ist die US-Immobilienkrise inzwischen vom Wohnungs- auf den Gewerbebau übergesprungen. 80 Prozent aller US-Banken haben ihre Kriterien für die Finanzierung von Gewerbeimmobilien verschärft - der höchste jemals ermittelte Wert, seit die Fed die Umfrage 1990 eingeführt hat. Die Nachfrage nach privaten Hypothekendarlehen brach weiter ein.

Auch in China wird die Finanzierung der Unternehmen schwieriger. Die wichtige China Construction Bank will in diesem Jahr ihre Kreditvergabe an bestimmte Branchen ganz einstellen. Wie aus Unternehmenskreisen am Dienstag verlautete, betrifft dies jene Sektoren, in denen mehr als zehn Prozent der Darlehen von der Bank als "faul" eingestuft werden. Dabei handelt es sich unter anderem um den Bergbau und den Einzelhandel. In der Bauwirtschaft und im Verarbeitenden Gewerbe werde die Kreditvergabe an strengere Auflagen gebunden.

Die Finanzmarktkrise hatte zuletzt auch auf die Kreditkonditionen in der Euro-Zone durchgeschlagen. Nach einer Umfrage der Europäischen Zentralbank von Ende Januar sind die Banken im vierten Quartal bei der Kreditvergabe restriktiver geworden. In Deutschland ist die Lage noch vergleichsweise gut, wie die Deutsche Bundesbank berichtete. Die Richtlinien für Konsumentenkredite wurden sogar weiter gelockert, die Bedingungen für Hypothekenkredite blieben praktisch unverändert.

Von der Verschärfung der Lage auf dem Markt für Gewerbeimmobilien ist inzwischen auch die Deutsche Bank betroffen. Nach einem Bericht des Wall Street Journal kann der Immobilienspekulant Harry Macklowe einen Ende dieser Woche fälligen Kredit der Bank von 5,8 Milliarden Dollar nicht zurückzahlen. Er hatte damit vor knapp einem Jahr sieben Gebäude im Wert von sieben Milliarden Dollar erworben.

Die Deutsche Bank habe sich die Verfügungsrechte über die betroffenen Gebäude gesichert. Unklar ist, inwieweit ein möglicher Verkaufserlös reicht, den Kredit vollständig zu decken. Ein Sprecher der Bank wollte den Fall nicht kommentieren. Die neuen Spekulationen über drohende Abschreibungen der Bank belasteten am Dienstag die Aktie der Deutschen Bank, die am Donnerstag ihre Bilanz vorlegt. Bislang hatte Bankchef Josef Ackermann signalisiert, es werde keine weiteren großen Abschreibungen geben. Analysten fürchten aber, dass er die Gewinnprognose für das neue Jahr deutlich senken wird.

Unterdessen steht auf den Finanzmärkten eine umfassende Neubewertung vieler komplexer und risikoreicher Wertpapiere bevor. Die Ratingagenturen Moody's und Fitch kündigten an, sie wollten ihr Bewertungssystem für strukturierte Finanzprodukte, die durch Kredite besichert werden, auf eine neue Grundlage stellen. Bei der dritten Agentur, Standard & Poor's, wird ein ähnlicher Schritt erwartet. Moody's wird für diese Produkte ein neues, 21-stufiges Bewertungssystem einführen.

Damit werden sich diese Papiere, die wesentlich zum Ausbruch der Finanzkrise beigetragen haben, künftig deutlich von normalen Firmen- und Staatsanleihen unterscheiden. An der Wall Street wird erwartet, dass die Agenturen diese Reform zu einer Herunterstufung vieler Wertpapiere nutzen. Sie sind zuletzt heftig kritisiert worden, weil sie viele Finanzprodukte lange zu positiv bewertet hatten.

© SZ vom 06.02.2008/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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