Banken auf dem Prüfstand:Gut, dass es den Stresstest gibt

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Unrealistische Annahmen, fehlende Stressfaktoren, verwirrende Vorgaben: Die Aufregung um den Stresstest für Europas Finanzinstitute ist groß. Trotz berechtigter Einwände muss man den Test nicht einstellen - er muss vielmehr verbessert werden. Denn der Nutzen des Prüfverfahrens liegt auch schlicht darin, dass er Öffentlichkeit schafft und dadurch die Geldinstitute diszipliniert.

Harald Freiberger

Diesmal sollte alles besser werden, doch das Geschrei ist größer als im vorigen Jahr. Wer die Stellungnahmen der Banken zum zweiten Stresstest hört, könnte meinen, dass da gerade eine Welt zusammenbricht. Es gibt inzwischen kaum mehr ein Detail, das nicht kritisiert würde. Von einer völlig unnützen Veranstaltung sprechen die einen, von einer schädlichen die anderen. Und manche meinen, man müsse die Veröffentlichung von Banken-Stresstests einstellen, und zwar sofort.

In der ganzen Aufregung wird übersehen, dass der Stresstest eine sehr sinnvolle Institution ist, weil die Banken dadurch zur Transparenz gezwungen werden. Er ist nur noch nicht ausgereift, man muss ihm Zeit geben. Und man darf ihn genau deshalb nicht so übertrieben ernst nehmen, wie es die Banken in ihrer Hysterie tun.

Es gibt eine Menge Einwände gegen den Stresstest, aber es gibt genau so viele Argumente, die diese Einwände entkräften. Natürlich kann man kritisieren, dass das derzeit akuteste Stress-Szenario für Banken gar nicht getestet wurde, nämlich der immer wahrscheinlichere Ausfall griechischer Staatsanleihen und die mögliche Ansteckung anderer Länder. Andererseits war dieses Szenario noch nicht so akut, als der Test vor Monaten konzipiert wurde. Man kann der europäischen Aufsicht Eba, die für den Test verantwortlich ist, nicht vorwerfen, dass sie von der Entwicklung überrollt wurde.

Natürlich kann man an den Details des Stress-Szenarios viel aussetzen. Es ist kaum wahrscheinlich, dass die Konjunktur in Deutschland in den nächsten zwei Jahren um mehr als vier Prozent einbricht, so wie es der Stresstest unterstellt. Aber irgendein Szenario muss man schließlich annehmen, und es sollte keines sein, das durch die rosarote Brille betrachtet wird. Jeder Stresstest kann sich der Wirklichkeit nur annähern, weil sich die Zukunft nicht vorhersagen lässt. Den perfekten Stresstest gibt es nicht.

Natürlich kann man auch das Vorgehen der Eba komisch finden. Sie verwirrte die Banken bis zum Schluss mit immer neuen Vorgaben und kurzfristigen Nachforderungen. Manche Banker warfen der Behörde schon vor, sie strebe eine bestimmte Zahl von Durchfallern an, um glaubwürdig zu erscheinen, nachdem der Test im Vorjahr offensichtlich zu lasch war.

Verbessern statt einstellen

Eine solche Kritik verkennt, wie kompliziert ein europäischer Banken-Stresstest ist. Häufig wird der Test in den USA als Vorbild genannt, mit dessen Hilfe es gelungen ist, die Märkte nach der Finanzkrise schnell zu beruhigen. Die Voraussetzungen in Europa aber sind völlig anders. Es gibt keine einheitlichen Regeln in den Bankensystemen, jedes Land hat seine Besonderheiten. Man sieht das an den stillen Einlagen der Landesbanken, die im Ausland niemand versteht.

Die Eba musste das für den Stresstest alles in ein Schema pressen. Da passieren Unzulänglichkeiten wie bei der deutschen Landesbank Helaba, die aus Protest aus dem Test ausscherte, weil die Aufseher ihr Eigenkapital nicht voll anerkannten.

Die Hysterie um den Stresstest hat ihre Ursache in einem großen Irrtum. Viele meinen, dass man so etwas in ein oder zwei Jahren auf die Beine stellen könnte. Das aber ist illusorisch. Es ist eine Aufgabe von vielleicht einem Jahrzehnt. Man hat die Eba, die erst im April ihre Arbeit aufnahm, überfordert mit dem Ansinnen, diesmal müsste die ganze Wahrheit über die europäischen Banken auf den Tisch kommen. Ein Stresstest kann immer nur einen Teil der Realität überprüfen, nicht die gesamte.

All das aber ist kein Grund, den Stresstest einzustellen. Es ist nur ein Grund, ihn noch besser zu machen. Seine wichtigste Funktion besteht ohnehin nicht so sehr darin, die Märkte zu informieren. Die Märkte wissen die Unzulänglichkeiten von Stresstests einzuschätzen.

Es geht noch um etwas anderes: um die disziplinierende Wirkung für Banken. Wenn sie wissen, dass ihre Angelegenheiten in der Öffentlichkeit verhandelt werden, wird das dazu führen, dass sie sich stärker um ihre Risiken kümmern und weniger in die Versuchung geraten, diese beim Steuerzahler abzuladen. Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information. Schließlich zahlt sie auch dafür, wenn es schief geht.

© SZ vom 16./17.7.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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