Bank kündigt Geschäftskonto:Göttinger Gruppe in Bedrängnis

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Die berüchtigte Anlagefirma hat bei Sparern mehr als eine Milliarde Euro eingesammelt. Davon dürfte nicht mehr viel übrig sein: Der Finanzkonzern ist am Rand der Zahlungsunfähigkeit.

Thomas Öchsner

Der Finanzkonzern Göttinger Gruppe gerät immer stärker in finanzielle Not. Jetzt hat die Volksbank Göttingen das Geschäftskonto der Securenta AG, dem Hauptunternehmen der Anlagefirma, fristlos gekündigt.

Gilt in der Göttinger Gruppe als Drahtzieher: Jürgen Rinnewitz. (Foto: Foto: privat)

Dies geht aus einem Schreiben der Bank hervor, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die Bank begründete den Schritt mit zahlreichen Pfändungen, für die kein Guthaben mehr auf dem Konto vorhanden sei. Mehrere Rechtsanwälte berichteten außerdem, dass die Göttinger Gruppe inzwischen Immobilien verkauft, um Gläubiger befriedigen zu können.

Gut eine Milliarde Euro

Das Unternehmen war in den neunziger Jahren der größte Anbieter von so genannten atypisch stillen Beteiligungen in Deutschland. Nach früheren Angaben hat die Anlagefirma bei mehr als 100.000 Sparern gut eine Milliarde Euro eingesammelt. Von dem Geld dürfte aber nicht mehr viel übrig sein.

Aus dem Schreiben der Volksbank Göttingen geht hervor, dass das Konto der Anlagefirma nach einer Auszahlung von etwa 158.000 Euro an zwei Anwälte Anfang Juni kein Guthaben mehr aufwies. Allein aus dem Zeitraum vom 16. Juni bis 14. Juli seien aber 437 weitere Pfändungen mit einem Volumen von mehr als 4,6 Millionen Euro aufgelaufen. "Dies zeigt, dass die Göttinger Gruppe inzwischen dicht an der Zahlungsunfähigkeit ist", sagte der Göttinger Rechtsanwalt Jürgen Machunsky.

In den vergangenen Monaten hatten Anwälte bereits von stockenden Zahlungen der Anlagefirma berichtet. Der Grund: Nachdem der Bundesgerichtshof in mehreren Grundsatzurteilen zu Gunsten der Kunden der Göttinger Gruppe entschieden hatte, haben zahlreiche Anleger mit Erfolg auf Schadensersatz geklagt oder Vergleiche erstritten.

Über Risiken nicht aufgeklärt

Im Kern geht es dabei um das frühere Hauptprodukt der Gruppe, die "Securente". Dabei werden die Anleger durch Raten- oder Einmalzahlungen zu Gesellschaftern von Unternehmen, an deren Gewinn oder Verlust sie beteiligt sind. Die Vermittler der Göttinger Gruppe hatten über die hohen Risiken dieses Anlagemodells aber nicht aufgeklärt. Das Unternehmen hatte allein einen dreistelligen Millionenbetrag für eine Beteiligung an dem Fußballclub Tennis Borussia Berlin und den Kauf der von der Finanzaufsicht geschlossenen Bank Partin verpulvert.

Nach Angaben von Machunsky war die Bankverbindung bei der Volksbank das zentrale Geschäftskonto des Unternehmens. Andere Göttinger Banken wollen mit der Firma offenbar auch nichts mehr zu tun haben. Nach Informationen der SZ hat die Göttinger Gruppe nun ein Treuhandkonto bei der Kreissparkasse Eichsfeld in Thüringen eingerichtet - wohl auch, um Pfändungen zu erschweren. Treuhänder ist ein Göttinger Rechtsanwalt, der früher für die Securenta AG tätig war. Über dieses Konto werden nun per Lastschrift die monatlichen Ratenzahlungen der Anleger eingezogen.

Staatsanwalt soll eingreifen

Machunsky vermutet, dass noch mehrere 10.000 Anleger dem Unternehmen Geld anvertrauen, "obwohl das Kapital offensichtlich nicht investiert wird, sondern für laufende Kosten und juristische Auseinandersetzungen draufgeht". Ähnlich äußerte sich der Berliner Rechtsanwalt Christian Röhlke: "Das Geld fließt weiter in das große Loch."

Die Göttinger Firma ging auf die Vorwürfe in einer Erklärung nicht näher ein. Man unterhalte zu "verschiedenen Bankinstituten" Geschäftsbeziehungen, hieß es. Zum Thema Verkauf des letzten "Tafelsilbers" erklärte eine Unternehmenssprecherin: Die Securenta AG optimiere schon seit einigen Jahren ihr Immobilien-Portfolio.

Securenta-Vorstand, Jürgen Rinnewitz, der als Drahtzieher in der Gruppe gilt, wollte mit der SZ nicht reden. Der Staatsanwaltschaft Braunschweig liegt seit 2004 eine Strafanzeige vor, in der dem Unternehmen Insolvenzverschleppung vorgeworfen wird. Die Behörde hat bislang nicht eingegriffen. "Dafür", meint Volker Pietsch, Chef des Deutschen Instituts für Anlegerschutz, "wäre es aber höchste Zeit".

© SZ vom 24.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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