Augsburger Patrizia in München:"Wir sind Lebensraum-Provider"

Lesezeit: 7 min

Eine Aktiengesellschaft kauft im großen Stil Münchner Mietanlagen - und weckt Ängste bei den Bewohnern.

Bernd Kastner

Einst war Augsburg die Stadt des Geldes. Das war, als die Fugger mit ihrem Vermögen das Schicksal des Deutschen Reiches bestimmten. Noch immer kündet die Fuggerei, älteste Sozialsiedlung der Welt, von dieser goldenen Zeit und der Großherzigkeit Jakob Fuggers.

patrizia chef wolfgang egger; Puchner

Patrizia-Chef Wolfgang Egger

(Foto: Foto: Puchner)

Heute, knapp 500 Jahre später, macht die Stadt am Lech wieder von sich reden, und wieder geht es um viel Geld, um Immobilien und ums Soziale. Ein neuartiger Wirtschaftszweig hat sich in Augsburg etabliert, er nennt sich selbst "Real-Estate-Industry". Das klingt wie Wohnen aus der Fabrik, und diese Fabrik hat einen Namen: Patrizia.

Die Patrizia ist eine Aktiengesellschaft und hat ihr Fließband vis-à-vis vom Augsburger Stadttheater aufgebaut, in der Fuggerstraße. Dort fabriziert Wolfgang Egger, Gründer und Vorstandsvorsitzender des Unternehmens, Wohnungen en masse, ohne dass er sie bauen müsste. Er kauft und verkauft sie, macht aus Mietsblöcken Eigentumswohnanlagen und bietet die Wohnungen zuerst den Bewohnern an. Das nennt sich Mieterprivatisierung, auch wenn private Kapitalanleger kaufen.

So rasant ist der Konzern mit den acht Töchtern gewachsen, dass er inzwischen "auf Augenhöhe" (Egger) mit internationalen Finanzinvestoren agiert, den Heuschrecken - ohne eine sein zu wollen, um Gottes willen! Patrizia hat sich dem Glück der Mieter verschrieben, will sie in sorgenfreie Immobilienbesitzer verwandeln. So beschreibt Egger sein Tun: "Mein Ansatz ist kein kapitalistischer."

Allein, so mancher seiner Mieter fühlt sich nicht als Hans im Glück, gerade in München, wo Patrizia so viel kauft und verkauft wie nirgendwo sonst in der Republik. Knapp 6000 Wohnungen gehören ihr derzeit an der Isar, unzählige sind schon weiterverkauft, die jüngsten und spektakulärsten Deals waren die Immobilien der Meag und die Siedlung Ludwigsfeld.

Unternehmen "Lebensraum-Provider"

Dort, auf dem Gelände eines ehemaligen KZ-Außenlagers, wehrten sich die Mieter lange vehement gegen die Augsburger, sehen den Charakter der Siedlung mit Bewohnern aus gut 20 Nationen gefährdet. Und auch in die ehemaligen Meag-Wohnungen ist Unruhe, ja Angst eingezogen. "Die Leute fliehen", heißt es, fliehen vor der Patrizia.

Wolfgang Egger, 42 Jahre alt, sitzt hinter einer durchsichtigen roten Tür im fünften Stock seines Bürohauses, Conference Area nennt sich diese Etage ganz oben. Bei Patrizia spricht man eine Mischung aus Deutsch und Englisch, und so wundert es nicht, wenn Egger sein Unternehmen einen "Lebensraum-Provider" nennt, was er in einer Presse-Verlautbarung so beschreibt: "Wir verstehen Immobilien als Lebensräume und entwickeln, bearbeiten und vermarkten sie so umfassend und professionell, wie man es sonst nur bei Produkten aus Industriezweigen kennt."

Doch wenn man den Mann mit den schwarzen, zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haaren so reden hört, könnte man ihn auch für einen Sozialarbeiter halten. Er erzählt, wie er als junger Spund von 19 Jahren seine Firma gründete. Er, der auf einem Bauernhof östlich von Augsburg aufgewachsen ist, der aus einer Welt kommt, in der jedem gehört, was er bewohnt. Weil er aber, noch aus Gesprächen mit seiner Oma, um die "schlaflosen Nächte" gerade älterer Leute wisse, wenn sich was mit der Wohnung ändert, habe er einst, nach Kauf eines Hauses, sofort eine Mieterversammlung einberufen. Er hat beruhigt.

Heute lässt man sich in seinem Unternehmen mitunter Zeit mit den Informationen an die Mieter. Das gehört zu den Widersprüchen im Wirken des Wolfgang Egger.

Zur SZ-Startseite