Aufwandspauschalen:Steuerfreiheit für alle

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Parlamentarier profitieren von hohen Pauschalbeträgen, Normalbürger nicht. Ein Richter wehrt sich nun dagegen.

Marco Völklein

Am 10. und am 11. September wird Michael Balke viel unterwegs sein. Zunächst wird der Düsseldorfer in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht sitzen, wenn die höchsten deutschen Richter erörtern, ob die Kürzung der Pendlerpauschale rechtens war. Einen Tag später, am 11. September, wird er in München den Richtern am Bundesfinanzhof (BFH) erläutern, warum er gegen die steuerfreie Aufwandspauschale der Bundestagsabgeordneten klagt. Beide Verfahren hängen für ihn nicht nur zeitlich zusammen. Sie haben seiner Meinung nach auch beide mit Gerechtigkeit zu tun.

Alles, nur keine Ungerechtigkeit: Ein Richter klagt gegen die steuerfreie Aufwandspauschale der Bundestagsabgeordneten. (Foto: Foto: ddp)

Balke ist selbst Richter und Berufspendler. Er arbeitet am Niedersächsischen Finanzgericht in Hannover und wohnt im 300 Kilometer entfernten Düsseldorf, regelmäßig pendelt er mit dem Zug hin und her. Dafür hat er sich eine Bahncard 100 gekauft - für 5900 Euro im Jahr. Diese Karte, mit der man beliebig oft und weit Zug fahren kann, erhalten Bundestagsabgeordnete unentgeltlich vom Staat. Doch daran stört sich Balke nicht wirklich. Vielmehr hat er geklagt, weil er für sich und seine Frau den gleichen Steuervorteil fordert, der auch Bundestagsabgeordneten zusteht.

Denn diese bekommen neben ihren Abgeordnetendiäten von 7339 Euro im Monat zusätzlich eine monatliche Aufwandspauschale von 3782 Euro. Diese Pauschale ist steuerfrei und dient dazu, die dienstlichen Kosten der Abgeordneten abzudecken, also zum Beispiel Ausgaben für Fahrten, Telefon, Büromaterial, Bewirtungen und die Zweitwohnung in Berlin. Balke stört sich an zwei Punkten: Zum einen fließt die steuerfreie Pauschale auch dann, wenn derartige Kosten gar nicht anfallen - wenn also der Abgeordnete zum Beispiel in Berlin seinen Wahlkreis hat und keine Zweitwohnung benötigt. Zum anderen erhalten die Politiker das Geld, ohne einen Nachweis für die Ausgaben erbringen zu müssen.

Dem normalen Steuerzahler dagegen bürden die Finanzämter folgende Pflichten auf: Er muss Rechnungen und Belege einreichen, zum Teil sogar Fahrtenbuch führen, sofern er beruflich bedingte Kosten von der Steuer absetzen möchte, die die Werbungskostenpauschale von 920 Euro im Jahr übersteigen. "Die Abgeordneten sollten sich dem gleichen Recht unterwerfen müssen, das sie dem normalen Steuerbürger zumuten", sagt Balke.

"Eklatante Ungerechtigkeit"

Zusammen mit seiner Frau möchte sich der Richter "nur in die Begünstigung einklagen, die auch Abgeordnete erhalten", argumentiert er. Rechne man Diäten und Pauschale zusammen, komme ein Abgeordneter auf 133452 Euro Jahreseinkommen. Rund ein Drittel davon gibt es steuerfrei, nämlich die 45384 Euro Pauschale (zwölf mal 3782 Euro). "Meine Frau und ich möchten gerne auch ein Drittel unseres Einkommens steuerfrei gestellt haben", sagt Balke. "Und zwar, ohne dass wir dem Finanzamt auch nur einen Nachweis vorlegen müssen." Und während dem normalen Steuerzahler die Pendlerpauschale gekappt oder der Sparerfreibetrag zusammengestrichen wird, passt sich die Pauschale der Abgeordneten Jahr für Jahr der Preissteigerungsrate an. "Ich habe Jura studiert, um zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden", sagt Balke. "Hier liegt eine eklatante Ungerechtigkeit vor."

Im Bundestag hat Balke mit seiner Klage bereits für Unruhe gesorgt. Die BFH-Richter haben einen detaillierten Fragenkatalog vorgelegt. Darin wollten sie unter anderem wissen, anhand welcher Erfahrungswerte der Gesetzgeber die Höhe der Pauschale bestimmt. Viele Parlamentarier halten allerdings dagegen, es verletze ihre Unabhängigkeit, wenn sie Fahrtkosten und andere Ausgaben gegenüber dem Finanzamt belegen müssten.

Am 11. September werden sich die obersten Finanzrichter in München die Argumente beider Seiten anhören. Neben Balkes Klageschrift liegen dem BFH weitere Klagen vor, die sich gegen ähnliche Pauschalen für Landesparlamentarier richten. Darüber werden die Richter gemeinsam entscheiden (Az. VI R 63/04, VI R 81/04 und VI R 13/06). Für den 24.September haben sie ihr Urteil angekündigt - also nicht einmal 14 Tage später. Diese kurze Zeitspanne zwischen beiden Terminen lässt Balke hoffen, dass die BFH-Richter seiner Klage stattgeben und den Fall dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zur Entscheidung vorlegen. Denn auch beim Streit um die Pendlerpauschale hatte der BFH zunächst eine mündliche Verhandlung angesetzt und nur zwei Wochen später den Streit an die Richter in Karlsruhe weitergereicht. Balke ist daher optimistisch: "Die Signale sind vielversprechend."

© SZ vom 24.07.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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