Am Finanzamt vorbei:Fahnder besuchen Österreichs Steuersünder

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Die Liechtensteiner Affäre schwappt in die Alpenrepublik. Erste Zwischenbilanz: 150 Verdächtige und jede Menge Selbstanzeigen.

Wolfgang Simonitsch und Alexander Hagelüken

Österreichs Steuersünder bekommen in Kürze Besuch vom Staatsanwalt. Dafür sorgt eine von der Bochumer Staatsanwaltschaft weiter gereichte Liste potenzieller Hinterzieher, die durch die Affäre Liechtenstein ans Licht kam. Der österreichische Finanzminister Wilhelm Molterer erfuhr 150 Namen. Vielen seiner Landsleute ist der Schreck in die Knochen gefahren. Bislang haben 86 Österreicher eine Selbstanzeige erstattet. Darunter sind gleich 25 Personen, die gar nicht auf der Bochumer Liste stehen.

Finanzminister Molterer berichtete am Dienstag über die Verfahren, die ins Rollen kommen, weil der Bundesnachrichtendienst (BND) Unterlagen der Bank des Fürsten von Liechtenstein gekauft hat. Über Namen, eventuell verdächtige Prominenz und andere Details verlor Molterer aber kein Wort. Das verbiete das Steuergeheimnis. Der Politiker der konservativen ÖVP erklärt lediglich, gegen alle Verdächtigen "Verfolgungshandlungen" eingeleitet zu haben. Er will auch nicht konkreter über vermutete oder längst erfolgte Hausdurchsuchungen reden.

Beträge bis zu 11,6 Millionen

Bekannt ist, dass die mutmaßlichen Steuerhinterzieher in verdächtigen Stiftungen meist Beträge zwischen 700000 und 1,5 Millionen Euro geparkt haben. Die größte Summe soll bei 11,6 Millionen Euro liegen. Dies sage jedoch noch nichts über das Hinterziehen von Steuern aus, erklärte ein Sprecher des Wiener Finanzministeriums. Dennoch wird eifrig darüber spekuliert, dass sich wohl die meisten der 150 Verdächtigen auf der Liste vor dem Staatsanwalt fürchten müssen. Obwohl die an Wien übergebene Liste bloß Namen von Österreichern umfasst, die Stiftungen in Lichtenstein besitzen und auf jener Daten-CD enthalten waren, die Deutschland erworben hat - was noch keine Hinterziehung beweist.

Grundsätzlich ist in Österreich jede Steuerhinterziehung strafbar, die vorsätzlich erfolgte. Bei mehr als 75.000 Euro entzogener Steuern ist ein Strafverfahren zwingend. Schonung dürfen nur jene erwarten, die sich noch rechtzeitig selbst bezichtigt haben. Die Frist dafür dürfte allerdings schon gegen Ende April April abgelaufen sein, vermutet der Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Klaus Hübner.

Steuersündern drohen in Österreich bis zu sieben Jahre Gefängnis. Dafür sorgt ein neues Gesetz, das nun den Tatbestand der "gewerbsmässigen Steuerhinterziehung" kennt, während es früher nur eine Strafdrohung von drei Monaten bis zwei Jahren gab. Bisher ist die Höchststrafe noch nie verhängt worden.

In Deutschland hatte die Affäre Liechtenstein heftige Debatten über das Verhalten der Reichen im Lande ausgelöst, nachdem der damalige Post-Chef Klaus Zumwinkel vor laufenden Kameras von Ermittlern abgeführt worden war. Die Bochumer Staatsanwaltschaft ermittelt mittlerweile gegen 700 Beschuldigte. Einzelne der entdeckten verdächtigen Stiftungen haben ein Volumen von bis zu 20 Millionen Euro. Daraus wurde vielfach der Vorwurf formuliert, reiche Deutsche würden sich ihrer Verpflichtung entziehen, die Gesellschaft durch Steuern zu stützen.

Ein Paradies wehrt sich

In Österreich sind die Debatten über mögliche Steuerflucht der Reichen via Lichtenstein weit weniger hitzig. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass keiner gern mit Steinen wirft, wenn er selbst im Glashaus sitzt. Vielmehr löste die Kritik deutscher Politiker oder auch der Denkfabrik OECD, dass Österreich wie die Schweiz und Luxemburg immer noch sperrig mit der Bekanntgabe von Bankinformationen umgehe, selbst ein "Paradies für Steuerflüchtlinge" sei und alles daran setze, sein Bankgeheimnis zu wahren, in der Alpenrepublik kollektive Abwehrreaktionen aus.

Der bloße Zuruf ausländischer Ämter oder Politiker sei jedenfalls kein Grund, das Bankgeheimnis noch weiter zu lockern, konterte etwa der Vorsitzende der Raiffeisen-Zentralbank und der Kreditsparte in der Bundeswirtschaftskammer, Walter Rothensteiner. Österreichs Banken würden wissentlich kein Geld annehmen, "das aus kriminellen Quellen stammt". Finanzminister Molterer legte am Dienstag auch Wert darauf, dass er anders die Bundesregierung für die Liste mit den Verdächtigen nicht gezahlt habe.

Wiener Politiker und Banker werfen Deutschland regelmässig vor, anders als Österreich "keine Endbesteuerung" zu kennen. Österreich kassiert auf alle Dividenden oder Zinsen Kapitalertragsteuer. Um unter Druck der EU das Bankgeheimnis weiter wahren zu können, hat Österreich gemeinsam mit Luxemburg und der Schweiz nur das Zugeständnis gemacht, von ausländischen Kapitalerträgen eine Quellensteuer abzuschöpfen. Sie liegt bei 15 Prozent, steigt von Juli an auf 20 und schließlich im Juli 2011 auf 35 Prozent. Drei Viertel davon werden an Herkunftsländer weiter gereicht. Die letzt verfügbaren Daten aus 2006 zeigen, dass von 44,3 Millionen Euro, die Ausländern abgeknöpft wurden, an Deutschland 33 Millionen Euro abgeführt worden sind.

© SZ vom 11.06.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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