Alternatives Maklergeschäft:Makler Courage

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Harald Blumenauer findet, sein Berufsstand kassiere viel zu viel Geld für zu wenig Leistung - nun provoziert er die Kollegen mit günstigen Gebühren.

Markus Zydra

"Die haben eine Höllenangst vor unserem Konzept", sagt Harald Blumenauer. Der kräftige Mann mit den glattgekämmten, leicht angegrauten Haaren sitzt zwar auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch, aber er wirkt, während er das entscheidende Wort sehr akzentuiert ausspricht, wie ein Raubtier auf dem Sprung. Die Stimme ist tief, eine angenehme Tonlage, durchaus dominant.

Ja, hier spricht einer, der es gewöhnt ist, im Mittelpunkt zu stehen. Ja, dem Mann traut man zu, Konflikte auszutragen. Und zu jeder Schlacht gehört natürlich auch das Gebrüll, mit dem der Gegner eingeschüchtert werden soll.

Aber vielleicht verdeckt da auch jemand seine eigene Furcht, wofür man Verständnis haben könnte. Denn der Gegner ist gewaltig. Der 55-Jährige hat sich in den vergangenen sechs Monaten mit der Branche der Immobilienmakler angelegt. 12.000 Unternehmer sind das, die Hälfte von ihnen hat den mächtigen Immobilienverband Deutschland (IVD) im Rücken. "Viele Makler kassieren zu viel Provision für das, was sie an Leistung bringen", schimpft Blumenauer über große Teile seines Berufsstands, dessen Leumund - unberechtigterweise, wie der IVD mitteilt - nicht zu den besten gehört.

Harald Blumenauer ist selbst Makler. Seit 40 Jahren. Er gehört zu einer der bekanntesten Maklerfamilien im Land und steht somit da wie ein Nestbeschmutzer aus besten Kreisen. "Mein Vater und mein Bruder finden unser alternatives Angebot gut", sagt er, was auch ausdrückt, dass er in der Branche kaum mehr Freunde hat.

Dabei hat Blumenauer eigentlich nur gemacht, was im Wirtschaftsleben üblich ist. Er hat unzufriedene Kunden identifiziert und versucht nun mit günstigen Tarifen in den Markt zu kommen. Seit Dezember makelt er Immobilien über das Internet - für ein festes Honorar von 995 Euro. Die Konkurrenz nimmt oft das Zehnfache und mehr, es hängt vom Verkaufspreis des Hauses ab. Kein Wunder, dass Blumenauer unbeliebt ist. "Die wollen uns deshalb aus dem Markt drängen, egal wie", sagt er und meint damit den IVD, in dessen Vorstand er lange saß, mit deren Mitgliedern er sich immer noch duzt, die er vielfach persönlich auch sehr schätzt - und mit denen er sich nun heftig streitet. Mittlerweile auch über Anwälte.

Das Büro von Blumenauers Firma iMakler - i steht für intelligent - liegt am Stadtrand von Bad Soden. Vom Bahnhof sind es anderthalb Kilometer in das Industriegebiet. Hier, zwischen Tankstelle, Elektronikzulieferer und Lebensmitteldiscounter, residiert der Provokateur. In einem alten Flachdachbau mit gelb getünchter Fassade und Glasquadern für den Lichteinfall im Treppenhaus.

Verantwortung wird abgelehnt

Es sind rund 15 Kilometer bis Frankfurt. In Bad Soden sowie den angrenzenden Taunusstädten Kronberg, Bad Homburg, Friedrichsdorf, Königstein und Kelkheim können Makler schnell reich werden. Sechs Prozent vom Kaufpreis muss der Käufer einer Immobilie an den Makler bezahlen. Bei 400.000 Euro sind das 24.000 Euro Courtage.

Das ist viel Geld, vor allem wenn Kunden erleben, dass viele Makler wenig über das Hausobjekt wissen und jede Verantwortung für die gegebenen Informationen ablehnen. Außerdem begreift kaum jemand, warum der Käufer die Courtage bezahlen muss, obwohl die Dienstleistung für den Verkäufer erbracht wird. Der Ruf der Branche ist deshalb schlecht.

Bei Harald Blumenauer bezahlt nicht der Käufer, sondern der Verkäufer die 995 Euro. Er sagt, die Verkaufswilligen könnten einen höheren Preis erzielen als über einen Provisionsmakler, da ein Teil der gesparten Courtage auf den Preis aufgeschlagen wird. Die Käufer seien ebenfalls begeistert, weil sie den Makler nicht bezahlen müssen.

Anders als die Konkurrenz aber begleitet Harald Blumenauer die Kaufinteressenten bei der Besichtigung nicht. "Der Verkäufer kennt sein Haus am besten", sagt er, "wir helfen weiter, wenn es konkrete Fragen gibt und machen vorher ein Wertgutachten." So spart er Zeit und Personal, und so kann er die Preise drücken.

Im Flur zum Büro von iMakler hängt das alte Leben von Blumenauer. Genagelt an die weiße Wand in Din-A4-Rahmen. Es sind Auszeichnungen für viele Verdienste, meist vom IVD. "Hier die Verleihung der goldenen Ehrennadel", Blumenauer zeigt auf eine schlichte Urkunde, "die wollen sie mir wohl entziehen. Sollen sie doch, wenn sie mir die Bemühungen für unseren Berufsstand absprechen wollen", sagt er trotzig.

"Zu diesem Tribunal gehe ich nicht hin"

Ende Mai lädt der IVD in Nürnberg zum Jahrestreffen. Dort soll iMakler "erörtert werden", wie es im Antrag heißt, und "gegebenenfalls verbandliche Maßnahmen" in Gang gesetzt werden. "Zu diesem Tribunal gehe ich nicht hin", sagt Blumenauer und wendet sich zur anderen Seite des Flurs, wo eine besondere Urkunde hängt. Der IVD hat iMakler hier ein Qualitäts-Zertifikat ausgestellt. "Nach strengen Aufnahmekriterien des Verbandes wurden die Bedingungen zur Führung des IVD-Zeichens erfüllt", liest er vor und freut sich diebisch. Der Rebell hält das Gütesiegel des Gegners in Händen.

Über solch eine Geste kann der Gegner in Berlin nur laut lachen. Der IVD sitzt in der Hauptstadt, und hat in Sven Johns einen eloquenten Hauptgeschäftsführer. "Klar haben die das IVD-Zertifikat. iMakler erfüllt die formalen Voraussetzungen dazu", sagt er, um dann noch hinzuzufügen: "Soweit wir das wissen." Da sind sie, die kleinen Bosheiten. In Nebensätze verpackt und mit freundlicher Stimme en passant gestreut. Sie drücken aus, wie angespannt die Nerven sind. Beide kennen sich seit Jahren, sie sitzen in Ausschüssen und debattieren über die Zukunft der Makler.

"Doch im Verband versteht man ihn nicht mehr", sagt Johns und verdeutlicht dann das Problem in so einfachen Worten, dass die tiefe Enttäuschung über den Kollegen selbst über das Telefon spürbar wird. "Der Harald kann machen, was er will, aber nicht sagen, dass alle Makler und der IVD im übertragenen Sinne doof sind."

Harald Blumenauer räumt ein, dass er im Selbstmarketing zu weit gegangen ist. Er hat in Pressemitteilungen damit geworben, dass der TÜV ihn für hervorragende Qualität ausgezeichnet habe - im Gegensatz zu den meisten Maklern. "Da habe ich etwas überzogen", sagt er, "aber die haben ja angefangen."

In der Tat hatte der IVD in der Frankfurter Rundschau eine Anzeige geschaltet, in der er das Angebot von iMakler als "Mogelpackung" bezeichnete. Mittlerweile musste Blumenauer eine Unterlassungserklärung in Sachen TÜV-Zertifikat unterschreiben. IVD-Anwälte haben das erwirkt. Und seither scheint die Beziehung zwischen dem aufmüpfigen Makler und dem Verband nachhaltig belastet zu sein. Wie in einer Ehe, wenn plötzlich von beiden Seiten eine neue Eskalationsstufe gezündet wurde.

Nun kam wieder Post vom Rechtsanwalt des IVD. iMakler soll künftig auf die Bezeichnung "Makler" im Firmennamen verzichten. "Die Firma ist ja auch aus unserer Sicht kein Makler", sagt Johns, sie sei wie eine Werbeagentur, die helfe, Häuserfotos ins Internet zu stellen und Texte zu schreiben und eine eingekaufte Werteinschätzung von dritter Seite dazugebe. "Pauschale Vergütung kennt das Maklerrecht nicht", sagt er.

Hartes Geschäft

Die Auseinandersetzung ist auch deshalb so hart, weil es um das Selbstverständnis der ganzen Branche geht. "Alle halten uns für Wucherer, die einfach mal 100.000 Euro auf eine Preisschätzung draufschlagen, nur um mehr Provision zu erhalten. Das ist Unsinn. So macht man sich als Makler unmöglich", sagt Johns.

Tatsächlich verkaufen Makler im Schnitt nur eines von zehn Objekten. Es ist mitunter ein sehr hartes Geschäft. "Man hat nicht jeden Monat einen Abschluss, und die Courtage wird ja an alle Mitarbeiter verteilt", sagt ein Frankfurter Makler, den es ärgert, dass Blumenauer sagt, sein Berufsstand verlange zu viel Geld für seine Leistung.

Blumenauer hat bis vor einem halben Jahr selbst auf Provisionsbasis gearbeitet, bevor er alles veränderte. "Mich hat auch die Ablehnung der Kunden gestört, man musste sich zu Beginn fast jeden Gesprächs für seinen Beruf rechtfertigen", sagt er.

Dann traf er seinen jetzigen Co-Geschäftsführer Robert Koning, einen Niederländer, der aus seiner Heimat zwei Dinge importierte: niedrige Maklergebühren und die Software, solche Geschäfte über das Internet abzuwickeln. "Bevor ich Robert traf, hatte ich noch nicht den Mut zu diesem Schritt", sagt Blumenauer. Da ist sie zumindest ein wenig spürbar, die Furcht vor der eigenen Courage.

© SZ vom 20. 5. 2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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