Altbau in München:"Hier entstehen Eigentumswohnungen"

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Eine unangenehme, aber alltägliche Geschichte: Erben wollen das Haus verkaufen und die Mieter loswerden.

Renate Winkler-Schlang

Ein großes rotes Schild wirbt an der Müllerstraße 22: "Hier entstehen demnächst Eigentumswohnungen der K+K Hausbau GmbH& Co KG". Die Mieter glauben, dass es weniger der Reklame als vielmehr ihrer Zermürbung dienen soll. Seit 18 Jahren, erklärte Dieter Hofrichter im Bezirksausschuss Altstadt-Lehel, wohne er hier. Zwei Wochen nach dem Tod der Eigentümerin im Februar habe der Nachlassverwalter geklingelt: Er bat um Auflösung der Mietverträge. Mittlerweile kamen Kündigungsschreiben.

Die Hofseite der Müllerstraße 22. Im Hintergrund hat ein Altbau die Sanierung schon hinter sich. (Foto: Foto: Peter Hudec)

Jetzt versucht der Bezirksausschuss zu helfen mit dem Antrag, das Haus unter Denkmalschutz zu stellen und die womöglich hundertjährige Linde im Hof zu schützen. Und heute beschließt der Stadtrat in nichtöffentlicher Sitzung, ob die Stadt ihr Vorkaufsrecht ausübt.

Eine alltägliche Geschichte könnte dies womöglich werden, vom Verschwinden alter Bausubstanz mit billigen Wohnungen und Werkstätten in der Innenstadt. Der Testamentsvollstrecker Hans Peter Halmburger sagt dazu, dass die Erben - allesamt mit der Verstorbenen nicht verwandt - die in solchen Fällen üblichen 35 Prozent Erbschaftssteuer nicht aufbringen können.

Die Mieten seien so weit unter Marktniveau, dass daraus nicht einmal die Zinsen der Steuerschuld beglichen werden könnten. Das Haus müsste saniert werden. Richtige Härtefälle gebe es nicht unter den Mietern. Den Sachzwang würde in einem Räumungsprozess ein Gericht sicher anerkennen.

Angeboten wurde die Immobilie nun "mieterfrei", wie diese im Hof zufällig erfuhren. Die K+K wirbt zwar bereits, hält sich aber heraus: "Wir sind noch nicht Eigentümer." Man sei kein Immobilienhai, sagt Generalbevollmächtigter Klaus Weber. Er wisse selbst, dass es schwer sei, den Mietern zu kündigen. Aber nicht völlig unrealistisch.

Ob Abriss oder Sanierung, darüber werde erst später entschieden. Man werde dies aber von der Sparkasse finanzieren lassen - und diese sei sehr sensibel in der Frage, wie man mit Mietern umgehe. Und im Übrigen habe man die Werbetafel nur aufgestellt, weil die LBS, die das K+K-Angebot vermarktet, dies wollte.

Die Gemeinschaft in der Müllerstraße 22 gibt die Hoffnung indes noch nicht auf. Froh stimmt sie, dass immerhin noch kein Antrag auf Abbruch gestellt wurde. Die Lokalbaukommission habe ihnen allerdings die Auskunft gegeben, dass ein Abriss genehmigt werden müsste. Anders wäre das wohl, stünde das Haus wie benachbarte Gebäude unter Denkmalschutz.

So haben die Mieter herausgefunden, dass es etwa 1835 gebaut wurde im Zuge der ersten Stadterweiterung in die Isarvorstadt hinein. Mehrere gleichartige, frei stehende Häuser aus der selben Zeit gibt es noch in der Müllerstraße - und teilweise stehen sie eben unter Denkmalschutz. Das Landesamt für Denkmalpflege aber habe eine Unterschutzstellung abgelehnt, was aber wiederum die Untere Denkmalbehörde der Stadt nicht nachvollziehen konnte.

Ihre große Hoffnung setzen die Mieter jedoch auf den Stadtrat. Theoretisch ist möglich, dass die Stadt kauft, denn in der Müllerstraße gilt die Erhaltungssatzung. Sie wurde erlassen, um genau solchen Fällen von Umwandlung in "Luxus"-Wohnungen und Vertreibung angestammter Mieter vorzubeugen. Ein derartiger Kauf kommt gar nicht so selten vor. Mieter Dieter Hofrichter hat allerdings bereits gehört, dass die Fraktionen sich dagegen aussprechen wollen. "Das geht wohl den Weg über Abfindungen", sagt der Testamentsvollstrecker und fügt hinzu: "Ich kann nicht anders, das sind halt die unangenehmen Geschichten."

© SZ vom 6.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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