Abgeltungsteuer:Wettlauf mit dem Fiskus

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Bei Zertifikaten greift das Finanzamt künftig stärker zu als bei Fonds - die Anbieter haben daher neue Steuersparmodelle kreiert.

Thomas Öchsner

Beim Thema Steuern auf Kapitaleinkünfte ist es so ähnlich wie bei dem Märchen vom Hasen und dem Igel. Seit Jahrzehnten liefern sich der Fiskus und die Anbieter von Anlageprodukten ein Wettrennen.

Die Finanzbehörden nehmen dabei meist die Rolle des Hasen ein: Sie hetzen den Steuersparmodellen hinterher. Doch kaum ist eines stillgelegt, hat die Finanzindustrie schon ein neues Modell entworfen, das einerseits den veränderten Gesetzen genügt, anderseits neue Quellen zum Steuersparen erschließt.

So ist es auch bei der Abgeltungsteuer und den in Deutschland sehr beliebten Zertifikaten, mit denen Anleger von der Kursentwicklung bestimmter Aktien, Indizes oder Rohstoffe profitieren können. Bei diesen Anlageinstrumenten kommen derzeit zahlreiche neue Varianten auf den Markt, die vornehmlich ein Ziel haben: die neue Pauschalsteuer von 25 Prozent zu umgehen.

Zertifikateanleger müssen sich zwei Stichtage unbedingt merken: den 14. März 2007 und den 30. Juni 2009. Wer vor dem 14. März Zertifikate gekauft hat, kann von der alten Spekulationsfrist profitieren. Kursgewinne sind also nach einem Jahr Haltedauer steuerfrei.

Für Zertifikate, die ein Anleger nach diesem Stichtag erworben hat, gilt ein eingeschränkter Bestandsschutz: Sie bleiben ebenfalls steuerfrei, aber nur wenn der Käufer die Papiere ebenfalls mindestens ein Jahr gehalten und sie bis zum 30. Juni 2009 verkauft hat.

Damit wollten die Regierungsfraktionen verhindern, dass die Zertifikatebranche viele Papiere mit einer endlosen oder einer sehr langen Laufzeit auf den Markt bringt. Eine "Endrally mit rein steuerlich motivierter Umschichtung in diese Anlageform ist unerwünscht und würde auch das Aufkommen aus der Abgeltungsteuer in der ersten Zeit nachhaltig schmälern'', heißt es in einer Stellungnahme des Bundesrates.

Das hat die Banken, die in Deutschland bereits jetzt mehr als 140000 verschiedene Zertifikate anbieten, aber nicht davon abgehalten, andere Steuersparvarianten zu entwickeln - ein Überblick:

Die Frist als Grundidee. Viele Banken bringen Zertifikate auf den Markt, die genau auf das Datum 30. Juni 2009 zugeschnitten sind. Dabei gibt es zwei Varianten: Die Laufzeiten enden genau oder kurz vor dem Stichtag, sodass Anleger mögliche Gewinne steuerfrei kassieren können.

Die zweite Variante ist flexibler: Dabei wird ein Stichtag vor dem entscheidenden 30. Juni gewählt. Bringt das Papier zu diesem Zeitpunkt nicht den gewünschten Ertrag, läuft es automatisch weiter - mit neuen Rendite-Chancen für den Kunden.

"Dahinter steckt die Überlegung, dass es für den Anleger natürlich besser ist, einen Gewinn zu versteuern als einen Verlust steuerfrei zu kassieren'', sagt Hendrik Pelckmann, Leiter Private Banking im Privatkundengeschäft der HypoVereinsbank (HVB). Dieser Strategie folgt zum Beispiel das neue HVB Express-Bonus-Zertifikat, das sich an der Entwicklung des europäischen Standardwerte-Index Euro Stoxx 50 orientiert (Tabelle).

Ein Fonds als Außenfassade. Investmentfonds haben verglichen mit Zertifikaten in Zukunft einen entscheidenden Vorteil: Wer vor 2009 einsteigt und den Fonds länger als ein Jahr hält, muss auf die Kursgewinne keine Abgeltungsteuer zahlen. Für die Käufer von Zertifikaten gilt dagegen der besagte Stichtag Ende Juni 2009. Deshalb entwickeln Zertifikateanbieter gerade neuartige Fonds.

Diese bilden bestimmte Strukturen von Zertifikaten in Fondshüllen ab. Vorteil: Steuerrechtlich werden diese Produkte wie Investmentfonds behandelt. HVB-Experte Pelckmann kann sich aber gut vorstellen, dass in den Fondsmantel auch Zertifikate gepackt werden, die endlos, also bis zum Verkauf durch den Anleger laufen. "Wer vor 2009 einsteigt, hat damit - wie bei den normalen Fonds auch - die Chance, noch viele Jahre Kursgewinne steuerfrei zu kassieren'', sagt Pelckmann.

Möglicher Nachteil bei diesen Angeboten: "Der Kunde ist auf eine Investment-idee festgelegt'', sagt Torsten Iben, Geschäftsführer beim Münchner Finanzanalysehaus FWW. "Attraktiver wären Produkte, bei denen aus verschiedenen Anlageideen die besten herausgefischt und zu einem Mix zusammengestellt werden.''

Versicherung als Mantel

Die Versicherung als Mantel. Inora Life, die Versicherungstochter der französischen Großbank Société Générale, hat als erster Anbieter Zertifikate mit einer Versicherung verbunden. Steuerlich gesehen hat der Anleger, der einmalig mindestens 5000 Euro oder mehr investieren muss, dadurch zwei Vorteile: "Durch den Versicherungsmantel wird keine Abgeltungsteuer fällig'', sagt Klaus von Massenbach, Zertifikate-Experte bei der Société Générale.

Hinzu komme die Möglichkeit, sich das ausgezahlte Kapital verrenten zu lassen. Die ausgezahlte Rente sei dann nur mit dem Ertragsanteil (bei einem 65-Jährigen zum Beispiel 18 Prozent) zu versteuern. Weitere Pluspunkte: Es gibt keine Stornogebühren bei einer vorzeitigen Kündigung und auch keine Gesundheitsprüfung.

Das neue Produkt, dessen Wertentwicklung von der Performance eines Aktienkorbes mit 24 internationalen Papieren abhängt, gibt es in zwei Varianten: mit Kapitalgarantie und ohne, dafür mit der Chance auf eine höhere Rendite.

Zertifikate-Experte Iben rechnet damit, dass andere Anbieter mit ähnlichen Produkten folgen werden. Jeder Anleger müsse sich aber gut überlegen, ob er dafür wirklich in Frage kommt: "Schließlich muss die Versicherung mindestens zwölf Jahre gelaufen sein und der Anleger 60 Jahre alt sein, um die Steuervorteile genießen zu können.''

Die neue Form der Garantie: Produkte, die eine Kapitalgarantie beinhalten, gelten bisher als Finanzinnovationen. Bei diesen Papieren unterliegen Kursgewinne unabhängig von der Haltedauer dem persönlichen Steuersatz. Von 2009 an gilt jedoch auch bei Garantiezertifikaten die Abgeltungsteuer.

Davon profitiert jeder, der einen persönlichen Steuersatz von mehr als 25 Prozent hat. Das gilt auch für Käufer von Aktienanleihen, deren Rückzahlung von einem bestimmten Aktienkurs abhängt. Für sie bietet die Branche schon jetzt Papiere an, die 2009 oder später auslaufen.

Das alles ist aber erst der Anfang. Die Finanzbranche dürfte in den nächsten Monaten beim Wettlauf mit dem Fiskus zur Hochform auflaufen. Erst 2009, wenn die Abgeltungsteuer in Kraft tritt, wird dieses Rennen beendet sein, ehe Hase und Igel zum nächsten antreten.

© SZ vom 31.08.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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