Zukunft des Computer-Spiels:Nur mehr vom Gleichen

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Konsumenten fordern bahnbrechende Ideen, doch den Erfindern mangelt es an Einfällen.

Jürgen Schmieder

Am Mittwoch werden Fachbesucher und Medien in die Hallen gelassen, von Donnerstag an werden dann wieder die Fans durch die Leipziger Messehallen laufen. Spätestens dann wird sich abspielen, was jedes Jahr geschieht, wenn die Games Convention ihre Tore öffnet: Die Diskussion über die fatale Wirkung von Computerspielen wird einsetzen.

"Computerspieler sind keine Idioten": Besucher der Leipziger Games Convention im vergangenen Jahr. (Foto: Foto: dpa)

Computerspiele machen dick, süchtig und aggressiv, lauten die weit verbreiteten Vorurteile; sie seien, sagen Kritiker, eine gefährliche Erscheinung der neuen Medienwelt, die krebsartig in den Köpfen von Kindern und Jugendlichen metastasiere.

Dass dieser Defätismus der Realität nicht standhält, lässt sich auch an der Entwicklung der Messe für Computerspiele in Leipzig ablesen. 2002 war sie als kleines Event gestartet, in diesem Jahr werden mehr als 150.000 Besucher erwartet.

Vom schlechten Ruf emanzipiert

Damit ist die "GC" - so wird die Messe genannt - neben der Electronic Entertainment Expo in Los Angeles und der Tokyo Game Show die größte Videospielmesse der Welt. Hersteller und Designer sprechen davon, dass die Games Convention bereits jetzt das bedeutendste Event für Computerspieler überhaupt sei. 2007 soll es gar einen Ableger in Singapur geben, die Games Convention Asia.

Längst sind Videospiele in Deutschland kein Hobby von Freaks mehr, sondern bei der breiten Masse akzeptiert. Das hat lange gedauert in einem Land, dessen Regierung 2005 unter der Überschrift "Aufwachsen ohne Gewalt" den Punkt "Verbot von Killerspielen" in den Koalitionsvertrag hineinschrieb.

Computerspiele haben sich mittlerweile von ihrem schlechten Ruf emanzipiert. Eine Studie der Gesellschaft für Konsumforschung zeigt: Nicht mehr nur pickelige Teenager zocken im Keller, Manager sitzen ebenso begeistert vor dem Bildschirm. Mehr als 50 Prozent der Konsumenten sind älter als 30 Jahre.

Zwar gibt es noch immer negative Schlagzeilen: So fiel in Südkorea ein 28-Jähriger tot vom Stuhl, weil er 50 Stunden am Stück spielte. Er war Profi in der Korean Internet Game League und hatte seinen Platz nur noch verlassen, um auf die Toilette zu gehen.

"Computerspieler sind keine Idioten"

Sowas ärgert eine Branche, die sich entwickelt vom gesellschaftlichen Phänomen zur anerkannten Kunstform. Diese Entwicklung indes scheint auf gutem Weg zu sein. Längst werden in den Feuilletons Handlung, Ästhetik und politischer Einfluss neuer Spiele diskutiert. Der amerikanische Designer American McGee sagt: "Computerspieler sind keine Idioten. Sie dürfen wählen gehen - und das tun sie auch."

Diese Entwicklung bringt auch neue Herausforderungen für die Hersteller: War man in der Vergangenheit schon zufrieden, wenn allein Grafik und Sound neue Maßstäbe setzten oder die Steuerung vereinfacht wurde, so verlangen die Spieler nun nach mehr. Sie fordern Innovationen, bahnbrechende Ideen, interessante Genres.

In eben dieser Emanzipation einer Kunstform liegt auch ein Problem der Branche: 2000 kam das Spiel "The Sims" heraus und wurde das erfolgreichste Spiel aller Zeiten. 2004 erregte das Online-Rollenspiel "World of Warcraft" Aufsehen. Das aber war zu wenig Neues für eine Branche, die wie Kino und Literatur als kreative Form akzeptiert werden möchte.

Wohl auch deshalb hat der in Seattle ansässige Konzern Microsoft angekündigt, seine Entwicklungs-Software "XNA Game Studio Express" jedermann kostenlos zur Verfügung zu stellen. Jetzt soll alle Welt Spiele entwickeln, kreativ werden und Erfahrungen einbringen. Microsoft verspricht sich von dieser Demokratisierung einen Ideenschub, der zu neuen Trends auf dem Videospielmarkt führen soll.

Ein Schritt in die richtige Richtung oder Verzweiflungstat, weil den Profis nicht mehr viel einfällt? Diese Frage dürfte auf der Messe Games Convention häufig gestellt werden.

© SZ vom 22.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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