US-Regierung vs. Google:Wer Fragen stellt, macht sich verdächtig

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Die amerikanische Regierung hat einen Drang zur absoluten Kontrolle. Und sie möchte die Freiheiten einer Firma wie Google beschränken. Denn der Globalkonzern nimmt die weltweite Monopolstellung bei der Filterung der Datenströme ein. Das bedeutet Macht.

Andrian Kreye

Gibt es irgend ein Argument dagegen, Kinder vor Pornografie zu schützen? Nein. Es ist sogar naturwissenschaftlich erwiesen, dass pornografische Darstellungen der Entwicklung des kindlichen Gehirns schaden können. Und gerade das macht die Forderung des amerikanischen Justizministeriums an die vier großen Betreiber von Internetsuchmaschinen so perfide, sämtliche Suchbegriffe herauszugeben, die innerhalb eines Monats im letzten Sommer abgefragt wurden (SZ vom 24.1.). Das soll helfen, Kinder vor Pornografie zu schützen. Moralisch und politisch ist das natürlich unbedenklich.

Google-Nutzer (Foto: Foto: Reuters)

Trotzdem sind die ersten Reaktionen auf den Gerichtsbescheid in diesen Tagen panisch. Da befürchtet eine kalifornische Internetnutzerin, ihre harmlose Recherche, was der britische Begriff rent boy bedeutet, könne schon als kriminell ausgelegt werden, denn rent boys heißen in England männliche Prostituierte und der Besuch von Prostituierten ist in den USA eine Straftat.

Ein Fernsehjournalist aus Washington sorgt sich, dass seine Recherchen für einen Dokumentarfilm über Beschneidungen Verdacht erregen könne, schließlich sei er auch auf Webseiten mit Abbildungen nackter Kinder gelandet. Andere sorgen sich, Recherchen über Terrorismus könnten Verdacht erregen. Bürgerrechtsbewegungen sehen in dem behördlichen Zugriff auf Suchdaten deswegen auch einen Schritt zur totalen Überwachung.

Yahoo, Microsoft und AOL haben sich dem Bescheid nun schon gebeugt. Google weigert sich bislang und ist bereit, mit dieser Weigerung bis vor den Supreme Court zu gehen. Die Begründungen der Ministerialbeamten und der drei gefügigen Betreiber klingen beruhigend. Das Justizministerium habe nur allgemeine Daten abgefragt, die keine Rückschlüsse auf die Identität der Internetnutzer zulassen. Auch unabhängige Experten bestätigen, dass der aktuelle Gerichtsbescheid keine Erfassung persönlicher Daten ermöglicht. Prinzipiell geht es darum, Statistiken zu erstellen, die das Justizministerium vor dem Kongress nutzen möchte, um eine Verlängerung des Gesetzes zum Schutz von Kindern vor Pornografie durchzusetzen.

Genauer als jedes Verhör

Wie so oft geht es bei diesem Streit jedoch nicht nur um den konkreten Fall. Die US-Regierung sollte natürlich großes Interesse daran haben, die Freiheiten einer Firma wie Google zu beschränken. Google ist der vielleicht erste Globalkonzern, der sich eine weltweite Monopolstellung bei der Filterung der Datenströme erkämpft hat. Das bedeutet Macht, die weit über die Wirtschaftsmacht konventioneller Konzerne hinausgeht.

Für Google ist diese Macht aber an die Glaubwürdigkeit ihrer Marke gebunden, die durch eine Herausgabe der Daten irreparablen Schaden erleiden würde. Da sind auch die jüngsten Zugeständnisse an Chinas Zensur kein Widerspruch. Google macht Geschäfte, keine Politk.

Die US-Behörden haben aber auch einen Drang zur absoluten Kontrolle. Sollte es der Regierung im Windschatten von moralisch unantastbaren Gerichtsbescheiden zum Schutz von Kindern von Pornografie gelingen, die Anonymität des Internets zu brechen, wäre ihnen ein Coup gelungen, der die Big-Brother-Visionen von Science-Fiction-Autoren weit übertrifft.

Denn Fragen verraten so viel mehr über einen Menschen als Antworten. Wer im Umfeld einer anonymen Suchmaschine nach Begriffen im Internet sucht, der entblößt dabei unter Umständen sein ganzes Innenleben. Das kann Rückschlüsse zulassen, die kein noch so geschickter Verhörspezialist aus einer Zielperson herausquetschen kann.

Und warum sollten die amerikanischen Bürger den Beteuerungen ihrer Regierung glauben, man wolle doch nur Statistiken erheben? Die Enthüllungen, dass der amerikanische Sicherheitsdienst National Security Agency auch die E-Mail und Telefongespräche amerikanische Bürger ohne Gerichtsbeschluss überwachte, hat in den letzten Wochen für ein tiefgreifendes Misstrauen der freiheitsliebenden Amerikaner gegenüber ihrer Regierung gesorgt.

Gerade wenn es um Computer und Internet geht, haben die Bürger auch allen Grund zur Sorge. Würde ein Beamter bei der Auswertung von Internetdaten beispielsweise Hinweise auf eine schwere Straftat wie den Vertrieb von Kinderpornografie oder die Planung terroristischer Anschläge stoßen, wäre er nicht nur moralisch, sondern auch per Gesetz dazu verpflichtet, dem nachzugehen. Doch wo liegen die Grenzen? Wären Drogenbesitz, Steuerbetrug oder Prostitution nicht auch Straftaten, die es zu verfolgen gilt?

Nun ist die Annahme, der eigene Computer biete auch nur den Ansatz von Privatsphäre sowieso eine Illusion. Bei der Verfolgung von Straftaten sind Computer meist die ersten Beweismittel, die beschlagnahmt werden. Und wer schon einmal den Untersuchungsbericht eines forensischen Computertechnikers gelesen hat, der weiß, dass selbst bei der Verwendung professioneller Löschprogramme jeder Tastendruck, der jemals auf diesem Gerät getätigt wurde, auch rekonstruierbar ist.

Der Kommunikationswissenschaftler Robert Scheer kalauerte in einem Leitartikel des San Francisco Chronicle in Anspielung auf die E-Mail-Benachrichtigung von AOL "You've Got Mail" (Sie haben Post) dann auch zu Recht: "You've Got Jail" (Sie kriegen Knast).

© SZ vom 27. Januar 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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