Traditionsunternehmen auf Wachstumskurs:Wie Grundig deutsche Wohnzimmer zurückerobern will

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Der finanzielle Ruin ist abgewendet. Jetzt will das fränkische Traditionsunternehmen Grundig mit neuen Fernsehgeräten zurück in deutsche Wohnzimmer. Nebenbei sollen Haartrockner, Kaffee- und Küchenmaschinen das Geschäft ankurbeln. Puristen wittern da Verrat.

Uwe Ritzer

Eine Bronzebüste von ihm steht noch da, gleich am verglasten Eingang. "Max Grundig 1908 - 1989" steht darunter. Der Weg zu seinen Nachfolgern führt durch einen Nebeneingang. Die Gebäude der Firma Grundig Intermedia, wie sie inzwischen heißt, werden gerade erweitert. Das galt in den vergangenen 20 Jahren auch für das Unternehmen selbst. Langsam, aber sicher ging Grundig in die Knie: In den besten Zeiten hatte die Firma immerhin 38 000 Mitarbeiter, bei der Insolvenz 2003 waren es noch 3500. Danach schien es, als bleibe am Ende vielleicht gar nichts mehr übrig von dieser Ikone aus der Zeit des Wirtschaftswunders. Außer dem Namen Grundig vielleicht. Umfragen zufolge kennen ihn immer noch 96 Prozent der Deutschen.

Nun empfängt Horst Nikolaus Besucher mit einem Versprechen: "Nach vielen Höhen und Tiefen haben wir das Tal der Tränen endlich hinter uns." Das haben seine Vorgänger auch gesagt; sie sind allesamt nicht mehr bei Grundig. Nikolaus, 41, bringt es mit einer kurzen Unterbrechung bereits auf 24 Jahre in der Firma. Zu Jahresbeginn ist der Deutschland-Chef aufgestiegen und nun neben Murat Sahin der zweite Geschäftsführer von Grundig Intermedia. Während die meisten Manager vor ihm guten Prognosen selten auch gute Zahlen folgen ließen, verweist Nikolaus auf die Erkenntnisse unabhängiger Marktforscher.

Ihnen zufolge scheint es nach vielen Jahren des Dahindümpelns nun tatsächlich wieder aufwärts zu gehen mit Grundig: Hinter Samsung und Philips Nummer drei in Deutschland bei LED- und LCD-Fernsehern, voraussichtlich eine Million verkaufte TV-Geräte in diesem Jahr, plus ebenso viele Audio-Geräte, plus 1,3 Millionen kleinerer Elektrogeräte für Bad und Küche. Vor allem im Geschäft mit Fernsehern gewinnt Grundig wieder Marktanteile.

Aufstieg mit dem Volkssport Fußball

Horst Nikolaus führt in den Vorführraum des Unternehmens, wo auf zahlreichen Bildschirmen Fußball läuft. "Das ist unser Bundesligafernseher", sagt Nikolaus und deutet auf ein Gerät. Mit gleich zwei Bildprozessoren sorgt es für einen besonders starken Kontrast und mehr Schärfe bei schnellen Bewegungen auf dem Schirm - nicht nur beim Fußball. In dieser Woche wird der Fernseher auf der Internationalen Funkausstellung (Ifa) vorgestellt. Neben anderen 90 Neuerungen. Und seit einem Jahr bereits ist Grundig in den Bundesligastadien fast omnipräsent: als Technologiesponsor der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Über den Volkssport Fußball wolle man "die Marke Grundig wieder ganz nahe an den Kunden bringen."

Wir sehen Grundig als die Marke für die gesellschaftliche Mitte", sagt Horst Nikolaus. Grundig-Geräte sollten weder ein Luxusgut sein, noch etwas, wonach man in Großmärkten sucht. Wo die Preise bei Edelmarken wie Loewe, Bang und Olufsen oder Metz allmählich beginnen, hören sie bei Grundig schon auf. Was alle eint, ist das Vertrauen in den Fachhandel. Jahrelang hatte Grundig den vernachlässigt und verprellt. Das hat sich grundlegend geändert.

Seit geraumer Zeit werden Fachhändler in technologische Entwicklungen eingebunden und ihr Wissen, auch ihre Kritik an Grundig-Geräten wird gezielt abgefragt. Sie erhalten auch technologisch anspruchsvollere Geräte als die Elektronikmärkte. Damit will Grundig in dem Preiskampf zwischen beiden für Schlichtung sorgen. "Die Zeit, in der sich Händler fragten, warum sie eigentlich mit uns zusammenarbeiten sollten, ist vorbei", sagt Horst Nikolaus. Jeder zweite Grundig-Fernseher wird im Fachhandel verkauft.

Das Konzept scheint sich auszuzahlen. Im vergangenen Jahr sei der Umsatz in Deutschland, wo Grundig gut die Hälfte seines Geschäftes macht, um 30 Prozent gestiegen, sagt Nikolaus. Im ersten Halbjahr 2012 habe er sich gar verdoppelt, während die Branche insgesamt nur ein Plus von 17 Prozent verzeichnete. Grundig wächst also schneller als der Markt. Dazu beigetragen haben die gute Konjunktur in Deutschland, die Fußball-EM, aber auch die Abschaltung von analogem Fernsehen im Frühjahr.

Experten schätzen, dass sich der Umsatz von Grundig Intermedia im oberen dreistelligen Millionenbereich bewegt. Auch in Skandinavien und der Türkei laufen die Geschäfte gut. Das Unternehmen selbst veröffentlicht keine Umsatzzahlen. Fakt ist, dass Grundig noch 2007 hohe Verluste schrieb. Die damaligen Eigentümer, die türkische Beko und die britische Alba, mussten 40 Millionen Euro zuschießen, um die Pleite zu verhindern. 2004 hatten sie das Grundig-Kerngeschäft mit Fernsehern und Audio-Geräten aus dem Insolvenzverfahren heraus zu gleichen Teilen gekauft. Ende 2007 verließen die Briten das Unternehmen. Seither gehört Grundig (wie Beko insgesamt) vollständig zur türkischen Koc-Gruppe, einem Familienkonzern mit 32 Milliarden Euro Umsatz und 80 000 Beschäftigten.

Produktion der Fernsehgeräte in Istanbul

Die Fernseher werden in Istanbul gebaut. Anfängliche Qualitätsprobleme habe das Unternehmen inzwischen im Griff, sagt ein Branchenexperte. Insgesamt zählt Grundig Intermedia gut 2000 Beschäftigte, 150 davon in der Nürnberger Zentrale, 30 mehr als noch vor zwei Jahren. Nikolaus wird nicht müde, die Verbundenheit zu Nürnberg zu betonen. Auch die türkischen Eigentümer wüssten um die historischen Wurzeln und sähen Grundig als deutsche Marke im besten Sinne, sagt er.

Diese verträgt sogar, dass inzwischen selbst Haartrockner, Kaffee- und Küchenmaschinen unter diesem Namen verkauft werden. Puristen sehen darin einen Verrat am Erbe des Max Grundig, die Rechnung scheint allerdings aufzugehen. "Die Kleingeräte haben sich als sinnvolle Ergänzung zum Kerngeschäft mit Fernsehern erwiesen", entgegnet Nikolaus Kritikern. Die Marke Grundig sei stark, ja unzerstörbar. Es scheint tatsächlich so.

© SZ vom 28.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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