Telefon-Überwachung:Handy-Anbieter liest mit

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Was als Scherz gedacht war, endete in Polizeigewahrsam: Eine SMS kam einen Franzosen teuer zu stehen.

Michael Kläsgen

Es war ein schlechter Scherz, keine Frage, und obendrein einer mit schwerwiegenden Folgen. Er brachte einen 29 Jahre alten französischen Schreiner 24 Stunden in Polizeigewahrsam. Dabei hat er nur eine wohl nicht ernst gemeinte Frage eines Kollegen per SMS auf seinem Handy empfangen und nicht einmal darauf geantwortet.

Eine SMS brachte einen 29 Jahre alten französischen Schreiner 24 Stunden in Polizeigewahrsam. (Foto: Foto: dpa)

Sie lautete: "Hast du eine Idee, wie man einen Zug zum Entgleisen bringt?". Seinen Kollegen lud die Polizei freilich auch vor. Außerdem durchsuchte sie dessen Wohnung. Zu verdanken haben die beiden dies dem Übereifer des Handy-Anbieters Bouygues Télécom.

Kurz nach dem Versenden der SMS alarmierte Bouygues die Polizei. Das Kommissariat von Abbeville zitierte den Schreiner umgehend zu sich. Der junge Mann war zu der Zeit noch guter Dinge. "Dann redeten sie von kriminellen Machenschaften, sogar von Terrorismus und drohten mir, mich zehn Tage einzusperren, wenn ich nicht aussagen würde."

Der Schreiner hatte sein Handy zur Reparatur gegeben und ein Ersatztelefon von Bouygues Télécom erhalten. Was er nicht ahnte: Der Anbieter las seine Kurzmitteilungen mit und schaltete aufgeschreckt von der bizarren SMS die Polizei ein.

Der Staatsanwalt von Abbeville hält das für gerechtfertigt: "Der Anbieter hat das Recht, Textmitteilungen zu lesen, und die Pflicht, die Behörden zu benachrichtigen, wenn er der Ansicht ist, es könne eine Straftat begangen werden", sagte er.

Weil der Vorfall eine Debatte über die Einschränkung der Freiheitsrechte in Frankreich entfachte, sah sich Bouygues Télécom veranlasst, schleunigst dem Anschein entgegenzutr

eten, in der Firmenzentrale lese man, was sich die Franzosen so simsen. Es sei eine interne Untersuchung eingeleitet worden, um herauszufinden, wer den Schreiner denunziert hat, sagte ein Sprecher. "Wir Anbieter sind nicht dazu befugt, den Inhalt von Textmitteilungen einzusehen", versicherte er. Nur auf Behördenantrag dürften sie Inhalte an die Polizei weiterleiten. Das war beim Schreiner aus Abbeville nicht der Fall.

Warum dann der Polizeigewahrsam? "Er hat es unterlassen, eine mögliche Straftat bei den Behörden anzuzeigen", sagte der Staatsanwalt.

© SZ vom 06.05.2009/mri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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