Teenager und das Internet:"Ein Meilenstein der Evolution"

Der Neuropsychologe Gary Small untersucht, wie Internet, Konsolen und Smartphones auf die Gehirne Heranwachsender wirken - und das Denken verändern.

Johannes Kuhn

Gary Small ist Psychologe und Professor für Psychiatrie an der University of California, Los Angeles (UCLA). Er gilt als einer der führenden Neurowissenschaftler der USA und beschäftigt sich mit der Gehirnentwicklung, Gedächtnisprozessen und dem Einfluss digitaler Technologien auf unser Gehirn. Er hat gemeinsam mit seiner Frau, der Wissenschaftsautorin Gigi Vorgan, verschiedene Bücher zum Thema geschrieben.

sueddeutsche.de: Es wird viel spekuliert über die Folgen der digitalen Revolution für die Gehirne von Kindern und Heranwachsenden. Welche Erkenntnisse gelten als gesichert?

Gary Small: Es gibt bislang wenige Studien, die wirklich direkt im Gehirn messen, was dort durch die neuen Technologien passiert und was sich verändert. Klar aber ist, dass sie etwas verändern. Bei unseren Untersuchungen haben wir festgestellt, dass der Stirnlappen hierbei eine wichtige Bedeutung trägt: Er ist für logisches Denken sehr wichtig, das ist bei Heranwachsenden noch nicht komplett ausgebildet. Hier kann Technologie förderlich oder hinderlich sein - es kommt dabei auf den Kontext, nicht auf das Medium selbst an.

sueddeutsche.de: Haben Sie ein Beispiel?

Small: Spiele mit ständigen Wiederholungen sind nicht dafür geeignet, unser Hirn zu stimulieren. Komplexe Spiele hingegen, die Planung und Strategie erfordern, können das logische Denken schärfen - nicht umsonst verkaufen sich die "Brain Games" bei Senioren. Auf der anderen Seite gibt es eine interessante Studie mit acht- bis 23-Jährigen: Ihnen wurden Gesichter gezeigt, deren Ausdrücke sie bestimmten Emotionen zu ordnen mussten. Die Personen, die vorher 15 Minuten ein gewalttätiges Videospiel gespielt hatten, brauchten deutlich länger, um die Emotionen zu erkennen.

sueddeutsche.de: Was bedeutet das für unsere zwischenmenschlichen Beziehungen?

Small: Heranwachsende, die gerade ihre sozialen Fähigkeiten entwickeln, können durch Technik dabei behindert werden. Ich habe mit einigen Teenagern zu tun, die dem Eindruck nach zu sehr in der digitalen Welt leben. Sie haben Schwierigkeiten in der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht, können oftmals emotionale Signale nicht entschlüsseln.

sueddeutsche.de: Das Internet wird durch Geräte wie Smartphones immer präsenter in unserem Leben. Welche Folgen hat das für Heranwachsende?

Small: Wir sind soziale Wesen, darum schütten wir während der digitalen Kommunikation das Glückshormon Dopamin aus. Die ständige Stimulation birgt die Gefahr der Abhängigkeit, zumal bei sozialen Netzwerken auch noch der Gruppenzwang dazukommt, der eine nüchterne Verwendung solcher Dienste sehr schwierig macht. Mir haben Lehrer geschildert, dass sie in ihrem Unterricht nach einer Stunde Handypausen einlegen müssen - die Schüler können nicht länger darauf verzichten, Nachrichten zu verschicken. Wir sind inzwischen vernetzt wie eine Ameisen- oder Bienenkolonie - allerdings nicht durch Hormone, sondern durch Technologie.

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