Tatort Internet:Aus die Maus

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Politiker fordern gern Verbote für gewaltverherrlichende Internetseiten - doch die Durchsetzung sollen andere übernehmen

Joachim Käppner

Einmal im Monat tritt in einem hässlichen Bürobau am Stadtrand von Bonn ein Gremium aus zwölf teils schon ergrauten Mitbürgern zusammen, das eher wie ein Kollegium sozial engagierter Lehrer aussieht, das über das weitere Fortkommen ihrer Problemschüler berät.

(Foto: Foto: dpa)

So ähnlich ist es sogar - das Problem ist nur: Die Problemkinder zählen Zehntausende, sie treiben im Netz täglich abscheuliche Dinge, spielen Killer-Games und Ego-Shooter-Spiele und andere Dinge mehr, die vielen Erwachsenen als Ausgeburten einer verirrten Phantasie gelten.

Die zwölf aus Bonn, Vertreter des Jugendschutzes und der Wohlfahrtsorganisationen, haben diese Dinge zu beurteilen bei ihren Treffen, bei denen die Herrschaften mit unbewegtem Gesicht Hardcorepornos, Kannibalenfilme und neuerdings eine wachsende Zahl von interaktiven PC-Spielen begutachten; zwischen 30 und 40 sind es im Jahr, sagt Elke Monssen-Engberding, Leiterin der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien: "Was man da sieht, ist schon erschreckend."

Debatte der Wesen aus unterschiedlichen Galaxien

Nur: Was tun? Bayerns Innenminister und designierter Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) fordert "angesichts der nicht abreißenden Kette von Gewalttaten junger Menschen nach dem Konsum von Killerspielen" ein Verbot, Letztere herzustellen und zu verbreiten.

Und Beckstein ist nur eine Stimme in einem wachsenden Chor, zu dem auch Jürgen Zöllner, der Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, gehört. Auch die EU will gegen die Killerspiele vorgehen, überlässt das aber den Mitgliedsstaaten. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) glaubt, das bestehende Recht reiche aus: Seit 2004 steht Gewaltverherrlichung verschärft unter Strafe.

Es ist, als debattierten hier Wesen aus unterschiedlichen Galaxien. Die jugendlichen "Gamer", die Spieler also, betrachten die Verbotsüberlegungen mit einer Mischung aus Hohn und Fassungslosigkeit. Ihnen erscheint es, als sei die Welt der Innenminister und Pädagogen völlig hinter der ihren zurückgeblieben. Sie denken also das, was junge Menschen zu allen Zeiten dachten, wenn ihnen die Alten vorschreiben wollten, was gut für sie sei und was nicht.

"Bemüht euch doch bitte demnächst mal, euch wenigstens ein bisschen zu informieren", schreibt der Blogger Stefan. Im "Counter-Strike"-Forum ärgert sich "match007": "So ist das nun mal, wenn ältere Generationen die politische Macht ausüben."

Umgekehrt bestärkt diese Verständnislosigkeit jene, die auf ein Verbot dringen. Wenn es so viele der Jungen völlig normal finden, sich virtuelle Feuergefechte zu liefern, bei denen das Blut unter dem Einschlag der Kugeln spritzt, Geiseln massakriert werden und es nur Gut oder Böse, Leben oder Tod gibt, dann spiegelt sich darin eine besorgniserregende Tendenz zur Verrohung.

Der Staat, glaubt der Münchner Jugendpsychiater Franz Joseph Freisleder, müsse "ein Zeichen setzen", ein Zeichen dafür, "dass die Gesellschaft die Verherrlichung von Gewalt nicht einfach als selbstverständlich betrachtet" - eben durch ein Verbot.

Ein Verbot, das sich nicht durchsetzen lässt

Nur: Wie setzt man das durch? Die Polizei winkt bereits ab. "Die erste Reaktion von Politikern ist immer: Ein Verbot muss her", meint Konrad Freiberg, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Das Problem sei nur: "Es ist sinnlos, ein Verbot zu erlassen, das nicht akzeptiert wird und das sich nicht durchsetzen lässt."

Was, fragt Freiberg, solle ein Handvoll Fahnder ausrichten angesichts der Verbreitung solcher Spiele in den endlosen Weiten des Web? "Counter Strike", das bekannteste Game unter jenen, die man heute pauschal als Killerspiele bezeichnet, steht nicht einmal auf dem Index der jugendgefährdenden Titel.

"Es geht hier nicht allein ums Schießen und Töten, sondern in erster Linie um Strategien und um Kommunikation mit Mitspielern", sagt Elke Monssen-Engberding, was Bayerns Innenminister nicht gerade freuen wird. Gewaltverherrlichend dagegen sei das Spiel "Man Hunt", in dem ein Mörder möglichst viele Opfer möglichst grausam töten soll - es ist, nach der Einstufung durch die Prüfstelle, inzwischen verboten.

Doch selbst die Indizierung von Spielen nützt nicht viel, wenn die Titel sich über Tauschbörsen und Game-Foren aus dem Internet auf den Rechner herunterladen lassen.

Welche Zeiten. Das erste Heft, das auf dem Index landete, weil sein Inhalt die Jugend in ihrer sittlichen Entwicklung unerfreulich beeinflussen könnte, war ein Comic, seinerzeit, im Jahr 1954, Groschenheft genannt. Sein Titel: "Tarzan, der Dschungel brennt."

© SZ vom 24.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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