Sperren für Kinderporno-Seiten:Unbrauchbar und schädlich

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Familienministerin von der Leyen will Kinderporno-Seiten sperren lassen. Für den Dresdner Informatik-Professor Andreas Pfitzmann, der die Regierung berät, ist das eine Schnapsidee.

Mirjam Hauck

sueddeutsche.de: Herr Pfitzmann, Familienministerin Ursula von der Leyen will Internetprovider zwingen, Websites mit Kinderpornographie zu sperren. Funktioniert das überhaupt?

Andreas Pfitzmann, Informatik-Professor an der TU Dresden (Foto: Foto: TU Dresden)

Andreas Pfitzmann: Man kann den Zugang zu Seiten oder deren Inhalte im Internet sperren. Für den naiven Internetnutzer sind sie dann auch nicht mehr zugänglich. Aber wer daran ein Interesse hat und sich halbwegs auskennt, der wird es immer schaffen, an diese Sachen zu gelangen.

sueddeutsche.de: Wie gelingt das?

Pfitzmann: Wenn der Webseitenbetreiber die Inhalte auf andere Server spiegelt oder der Internetnutzer seinen Zugriff über einen Proxy im Ausland umleitet, dann ist die Sperre wirkungslos. Das liegt auch an der auf Ausfallsicherheit optimierten Architektur des Internets. Das heißt, ist ein Weg versperrt, bietet das Netz genügend andere Wege, um auf Inhalte zugreifen zu können.

sueddeutsche.de: Was haben bisherige Sperrversuche gebracht?

Pfitzmann: Im Jahr 2002 hat die Bezirksregierung Düsseldorf eine Sperrverfügung für zwei rechtsextreme Internetseiten erlassen. Das sollte über das Sperren von IP-Adressen geschehen und die Verwendung eines manipulierten Domain Name Service. Ein Domain Name Service entspricht einem Telefonbuch, in dem man zu einer URL die IP-Adresse nachschlägt. Manipuliert bedeutet, dass bestimmten Domains falsche IP-Adressen zugeordnet sind.

Aber einen Domain Name Service zu ändern ist noch weniger effektiv als das Löschen eines Eintrags im Telefonbuch. Denn im Netz gibt es viele Domain Name Services und dies natürlich auch im Ausland, so dass die korrekte IP-Adresse dort leicht "nachgeschlagen" werden kann. Beide Sperrmaßnahmen kann auch der Webseiten-Inhaber ganz leicht umgehen, in dem er seine Inhalte einfach unter einer neuen Adresse anbietet.

sueddeutsche.de: Der Vorschlag der Familienministerin ist also gänzlich unbrauchbar?

Pfitzmann: Die Sperren sind nicht nur unbrauchbar, sie verursachen auch noch Schäden. Für mich ist das reine Symbolpolitik. Dem Wähler wird suggeriert, dass sich die Politiker mächtig ins Zeug legen. Der Zweck, die Verbreitung von Kinderpornographie einzuschränken, ist zweifellos gut, nur wird das im Internet mit Sperren nicht funktionieren.

Zu dieser Ansicht kommen wir in unserem technischen Gutachten für die Kommission für Jugendmedienschutz (kjm). In einem juristischen Gutachten für die kjm nennt das Max-Planck-Institut in Freiburg auch noch juristische Hürden: Sie sehen die Sperren als Grundrechtseingriff in die Meinungs- und Informationsfreiheit und das Fernmeldegeheimnis.

sueddeutsche.de: Welche Schäden verursachen die Sperren?

Pfitzmann: Zum einen beeinträchtigen die meisten Formen der Sperrung den Durchsatz und die Geschwindigkeit des Netzes. Außerdem sperren sie entweder zu viel oder zu wenig. Zum anderen können sich Sperrverpflichtungen innovationsfeindlich auswirken. Die Umsetzung ist für die Provider teuer und kaum wirtschaftlich zu handhaben. Und die Regeln werden die Entwicklung neuer Internetdienste in Deutschland hemmen.

sueddeutsche.de: Ein Land wie China brüstet sich mit seiner Great Firewall, die den Zugriff auf unliebsame ausländische Internet-Inhalte innerhalb Chinas sperrt.

Pfitzmann: Das chinesische Filtersystem ist auf den ersten Blick tatsächlich sehr effektiv. Zunächst leiten die chinesischen Zugangsprovider alle Daten ungehindert weiter, legen dabei aber Kopien an und analysieren sie. Bei unliebsamen Inhalten beenden dann sogenannte TCP-Reset-Pakete die Kommunikation.

Nach einem solchen Kill-Befehl kann der PC des Surfers keine Verbindung mehr herstellen. Doch auch diese Sperrmaßnahme ist für jeden technisch Interessierten leicht zu umgehen: Er muss seinen Rechner lediglich so konfigurieren, dass er die vom Filtersystem versandten Informationen ignoriert. Moderne Personal-Firewalls können das.

Zudem müssen wir uns fragen, in was für einem Land wir leben wollen, ob eine Demokratie das nachbauen sollte, was die Chinesen haben.

sueddeutsche.de: Welchen Rat geben Sie also Frau von der Leyen?

Pfitzmann: Wenn es um den Schutz vor Kinderpornographie geht, sollte die Familienministerin anstatt in Internetsperren besser mehr in den Jugendschutz investieren - zum Beispiel die Jugendämter besser ausstatten. Und wir alle sollten einfach genauer hinschauen, was in unserer Nachbarschaft passiert.

Professor Andreas Pfitzmann ist Leiter der Datenschutz- und Sicherheitsgruppe an der Technischen Universität Dresden. In seinem Gutachten für die Kommission für Jugendmedienschutz (kjm) untersuchte er die technischen Vorraussetzungen und die Wirksamkeit von Internetsperren gegen Zugangsprovider. Aktuelle Forschungsprojekte von Andreas Pfitzmann sind anonymes Websurfing (JAP), datenschutzgerechtes Identitätsmanagement (PRIME) und Steganographie (hier Verschlüsselungstechniken im Internet).

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