Razzia gegen Internet-Kriminelle:100.000 Kunden geneppt - Polizei fasst Verdächtige

Lesezeit: 2 min

Über vermeintliche Schnäppchen-Angebote gingen 100.000 Kunden im deutschsprachigen Raum einer Online-Gaunergruppe in die Falle. Nun hat die Polizei sieben Verdächtige festgenommen - ein erster Ermittlungsbericht zeigt, wie Internet-Betrug im großen Stil funktioniert.

Eine Betrügerbande hat etwa 100.000 Kunden beim Einkaufen im Internet abgezockt und Gelder in Millionenhöhe ergaunert. Nach anderthalbjährigen Ermittlungen von Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft Augsburg verhaftete die Polizei in der vergangenen Woche in Deutschland und Österreich neun Verdächtige, wie das LKA nun mitteilte.

Betrugsseite für Autoimporte: "Einzigartige Dimension" der Ermittlungen. (Foto: Screenshot)

Die kriminelle Bande soll Waren in zahlreichen Webshops gegen Vorkasse angeboten, aber nie geliefert haben. Auf diese Weise seien rund 100.000 Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz geprellt worden. Der Schaden erreicht nach Einschätzung der Polizei Millionenhöhe.

Bei der Aktion in der vergangenen Woche haben nach Angaben des LKA 170 Polizisten bundesweit 29 Wohnungen und Büros durchsucht. Sieben Männer und Frauen im Alter zwischen 20 und 39 Jahren seien bei Razzien in Berlin, Schleswig-Holstein, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen festgenommen worden.

Ein anderer Tatverdächtiger saß bereits wegen eines anderen Vergehens in Haft, ein weiterer wurde in Österreich festgenommen. Gegen alle Verdächtigen wurde Haftbefehl erlassen, einige haben nach LKA-Angaben bereits Geständnisse abgelegt. Zudem besteht Tatverdacht gegen drei weitere mutmaßliche Betrüger.

In einer Pressemitteilung wird die Vorgehensweise der Bande erklärt: Demnach nutzten die Betrüger für ihr Impressum die Daten von etablierten Online-Händlern. Bei den angebotenen Waren handelte es sich nach Polizeiangaben um verschiedenste Produkte, vom "Lego-Spielzeug für 30 Euro über begehrte Elektroartikel bis hin zu 1-kg-Goldbarren für 24.704,00 Euro". Einige der Seiten wie usa-auto-kaufen.de oder luxus-ferienhaus24.de liegen auf ausländischen Servern und sind noch online.

Bewertungsportale manipuliert

Um den Onlineshops ein seriöses Image zu verpassen, verfassten die Mitglieder in Bewertungsportalen positive Bewertungen, um die Äußerungen von Geschädigten zu relativieren. Dabei eröffneten sie nach Polizeiangaben sogar eigene Bewertungsportale. Als vertrauenswürdig sollten den Kunden auch vermeintliche Treuhand-Anwälte erscheinen, die beispielsweise beim Autoimport die Vorauszahlungen der Kunden entgegennehmen sollten. Hierfür fälschte die Gruppe eine ganze Reihe von Anwaltsseiten im Netz.

Damit das unrechtmäßig ergatterte Geld keine Spuren hinterließ, wurden "Money Mules", also Geldesel, eingeschaltet. Diese Mittelsmänner erhielten von den Kunden die Beträge überwiesen und ermöglichten den Betrügern den Zugang zu ihrem Konto, damit diese das Geld wiederum weiter transferieren konnten.

Solche Helfer erhalten für ihren Dienst in der Regel eine Provision, wissen aber häufig nicht, dass sie sich an Geldwäschegeschäften beteiligen. Etwa 1000 Bürger sollen sich so zu Mithelfern gemacht haben.

Dem Bericht der Ermittler zufolge war die Gruppe technisch äußerst beschlagen: Neben dem Online-Betrug soll die Bande auch noch im Phishing-Geschäft tätig und an der Plünderung von Privatkonten beteiligt gewesen sein. Foren, in denen kritisch über die Betrügershops berichtet wurde, sollen über DDoS-Attacken angegriffen worden sein. Die Kommunikation der Gruppe lief wie in diesen Kreisen üblich über verschlüsselte Chats ab.

Die mutmaßlichen Betrüger - von denen die meisten arbeitslos waren - lebten nach LKA-Angaben offensichtlich auf großem Fuß. So bezahlte einer der Verdächtigen einen 4000 Euro teuren Fernseher beispielsweise in bar.

Auf die Spur der Betrüger kamen die Ermittler durch die Strafanzeige eines Elektro-Unternehmens im schwäbischen Nördlingen. Die Firma hatte eine Internetseite entdeckt, die ihre Firmendaten in leicht abgeänderter Form benutzte.

Wegen gewerbsmäßigen Betrugs drohen den mutmaßlichen Tätern nun Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. "Dieses Verfahren ist in Bezug auf die Enttarnung von Internettätern und in seiner Dimension bisher einzigartig", sagte der Präsident des Bayerischen Landeskriminalamts, Peter Dathe.

Ruf nach Vorratsdatenspeicherung

Das LKA hatte gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft Augsburg seit eineinhalb Jahren gegen die Bande ermittelt. Die Untersuchungen seien sehr komplex und auch noch nicht abgeschlossen, betonte Ermittlungsleiter Gerald Busch. "Das Internet ist geprägt von Anonymität" - das erschwere die Ermittlungen.

Zusätzlich seien sie auch durch die Einschränkung der Vorratsdatenspeicherung zurückgeworfen worden. Diese möchten die erfolgreichen Fahnder nun offenbar schnellstmöglich wieder eingeführt sehen: Busch appellierte an die Politik, "möglichst bald und zügig eine Ermittlungslage zu schaffen", die die Strafverfolgung im Internet erleichtert.

© sueddeutsche.de/dpa/dapd/joku - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: