Programme online:Rechnen in der Wolke

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Die Karten werden neu gemischt. Software funktioniert online, die Browser denken mit. Und Google ist schuld.

Thorsten Riedl

Die Firmen der Informationstechnologie (IT) lieben englische Schlagworte. Cloud Computing ist der neueste Begriff, den Manager von Microsoft, IBM, Amazon oder Google im Moment inflationär nutzen. Ins Deutsche übersetzt würde das Modewort in etwa "Datenverarbeitung in der Wolke" heißen.

Google sorgt für Schwung auf dem Markt. (Foto: Foto: AP)

Die Branche spielt damit nicht in selbstironischer Weise darauf an, dass viele Kunden bei den gewählten Fremdworten im Nebel tappen; die Wolke steht im Branchenjargon für das Internet. Und dort sollen künftig die Berechnungen für Programme stattfinden. "Wir kombinieren den Zauber von Programmen mit der Kraft von Internetdiensten", sagt Steve Ballmer, der Chef des Softwareherstellers Microsoft.

Das Unternehmen ist nicht das Einzige, das sich in dem Bereich positioniert. Nichts wird künftig so sein wie bisher in der IT. Die Karten werden neu gemischt.

Bislang wird Software in der Regel auf CDs oder DVDs ausgeliefert. Zuhause installiert der Kunde die Programme auf der Festplatte seines Computers. In Zukunft genügt ein Internetbrowser, um eine Textverarbeitung, ein Präsentationsprogramm oder ein Spiel abzurufen. Das funktioniert heute schon, etwa bei Google Docs, dem Softwarepaket des Suchmaschinenbetreibers für typische Büroanwendungen.

Umsatz durch Werbung

Doch dem Markt wird enormes Potential zugeschrieben. Analysten der Investmentbank Merrill Lynch rechnen für 2011 mit Erlösen in Höhe von 160 Milliarden Dollar pro Jahr für webbasierte Software, inklusive den Umsatzströmen aus Werbung, durch die viele Programme kostenlos für die Nutzer werden sollen. Zum Vergleich: Zurzeit wird der globale Softwaremarkt auf mehr als 800 Milliarden Dollar Umsatz pro Jahr geschätzt.

Den Traum, dass die Intelligenz für Software nicht mehr auf dem Computer residiert, hat die Branche schon seit Jahren. "The network is the computer" - das Netz ist der Computer - heißt das Motto bei Sun Microsystems schon seit Anfang der 90er-Jahre. Salesforce.com bietet seit dem Jahrtausendwechsel die eigene Software für Geschäftskunden nur noch auf Abruf an. Dieses On demand Computing oder Software as a Service (Programme als Dienstleistung) sind Schlagworte, mit denen sich die Branche schon vor Jahren auf den Wandel eingestimmt hat.

Während zunächst aber Firmenkunden im Blickpunkt standen, erreicht der Umschwung nun die Verbraucher. Deutliches Zeichen dafür: Die neue Generation sehr leichter, tragbarer Computer, wie sie Asus mit dem Eee-PC zuerst vorgestellt hat. Viele der beliebten Geräte haben statt Programmen nur noch eine Verknüpfung installiert, mit Verweis auf die Internetadresse, unter der eine Anwendung läuft.

Software als Service

Google kommt der Verdienst zu, Software "aus der Wolke" für Verbraucher attraktiv gemacht zu haben. Im März vor zwei Jahren hatte der Konzern die Firma Writely übernommen, einen Anbieter einer Online-Textverarbeitung. Im Sommer drauf hatte Google dann alle Teile zusammen, um Bürosoftware anzubieten, die ausschließlich im Internet läuft.

Der jüngste Schachzug des Unternehmens passt ins Bild: Der Google-Webbrowser Chrome enthält spezielle Funktionen, um eine Internetanwendung als Verknüpfung direkt auf dem Computer zu speichern. Klickt der Nutzer darauf, hat er das Gefühl, wie eh und je ein Programm zu starten - dass die Daten im Netz auf Rechnern von Google verarbeitet werden, bleibt ihm verborgen.

Wer das Rennen bei der Wolken-Software macht, ist offen. Microsoft setzt darauf, dass auch künftig Programme auf einem Rechner installiert sind. Spezielle Services im Internet sollen dem Nutzer nur das Leben erleichtern, etwa bei der Arbeit in Teams an gemeinsamen Dokumenten. Eine Million Anwender hat Microsoft für das Experiment namens Office Live schon begeistern können, meldete der Konzern am Freitag. Google hat bisher zehnmal so viele Kunden bei der Online-Bürosoftware.

Der Wandel in der Softwareindustrie, weg vom eigenen Rechner, hinein ins Netz, bietet aber auch Chancen für Firmen, die bislang noch keinen guten Stand hatten. So betreibt Yahoo auch Kalender- und E-Mail-Programme im Internet. Der verborgene Champion heißt Amazon. Eigentlich ein Online-Kaufhaus bietet das Unternehmen auch Rechen- und Speicherservices. Jeder kann dort Computerleistung einkaufen, zahlbar pro Stunde.

© SZ vom 6.9.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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