Photokina: Die Trends:Digitalkameras, klein und scharf

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Photokina 2010: Systemkameras machen den Spiegelreflex-Boliden zusehends Konkurrenz. Doch die Handhabung erfordert reichlich Eingewöhnungszeit.

Frank Späth

Das satte Klacken des Schwingspiegels in der typischen Spiegelreflexkamera (SLR) war über Jahrzehnte hinweg akustischer Begleiter der ambitionierten Fotografie. Geht es nach dem Willen einiger Hersteller, könnte dieses Geräusch bald Vergangenheit sein.

Digitalkamera Sony Alpha 55 V: Eine neue Generation erobert den Markt. (Foto: Sony)

Ein neuer Kameratyp zündet auf der größten Fotomesse der Welt, der Photokina in Köln, gerade die nächste Revolutionsstufe in der Fototechnik: Nach dem Ende des Films scheinen nun auch die Tage des Spiegels gezählt.

Die neue Generation arbeitet im Prinzip ähnlich wie Kompaktkameras, bietet aber die für SLR-Modelle typischen großen Bildsensoren und ein Bajonett für den Anschluss von Wechselobjektiven.

Statt durch einen optischen Sucher zu blicken, gestaltet der Fotograf sein Bild wahlweise auf dem Rückseitenmonitor oder in einem elektronischen Sucher (EVF), der wie ein kleiner Fernseher direkt hinterm Okular sitzt. Der Verzicht auf den Spiegelkasten hat Vorteile.

Zum einen schrumpft das Gehäuse, die Kameras können kleiner werden. Zum anderen verringert sich der Abstand zwischen Objektiv und Bildsensor (das Auflagemaß). Das macht kompaktere Objektive möglich und erleichtert die Entwicklung von hochwertigen Weitwinkel-Festbrennweiten und -Zooms. Eine Kamera ohne Schwingspiegel ist zudem mechanisch weniger anfällig und leiser.

Elektronischer Sucher als Hürde

Was die Bildgestaltung angeht, muss der SLR-geübte Fotograf allerdings umdenken und sich erst einmal an den elektronischen Sucher gewöhnen, will er wie gewohnt mit der Kamera am Auge arbeiten. Oder nach Kompaktkamera-Manier den Rückseitenbildschirm nutzen.

Für viele erfahrene Anwender stellt der elektronische Sucher sicher die größte Hürde dar. Denn noch bietet die Qualität der Mini-Fernseher nicht das Maximum an Auflösung und Detailschärfe.

Dennoch können sich die bis zu 1,4 Millionen Bildpunkte auflösenden EVFs schon sehen lassen - ganz zu schweigen von den Vorteilen live überlagerter Informationen und der Möglichkeit, das eben geschossene Foto sofort zu kontrollieren, ohne dafür den Fotoapparat vom Auge nehmen zu müssen.

Da bei einer Spiegellosen der Bildsensor zusätzliche Aufgaben übernehmen muss, zum Beispiel Belichtung und Schärfe-Einstellung zu ermitteln, war für die Hersteller eine technische Neuorientierung nötig. So stellt die neue Systemkamera mit einem ähnlichen Mechanismus scharf wie eine Kompaktkamera: dem Kontrast-Autofokus.

Da der konstruktionsbedingt langsamer ist als das Phasendetektions-Verfahren einer SLR, waren und sind bei den Spiegellosen noch einige Hausaufgaben zu machen. Zwar fokussieren die aktuellen Modelle ausreichend flott - mit den Systemen professioneller Spiegelreflexen können sie jedoch noch nicht mithalten.

Überhaupt steckt der neue Familienzweig noch in den Kinderschuhen. Panasonic war vor knapp zwei Jahren der erste Hersteller, der mit dem Lumix G-Micro System eine Systemkamera ohne Spiegel baute. Wenige Monate später folgte Olympus mit seiner Pen-Serie.

Inzwischen sind mit Samsung (NX) und Sony (NEX) zwei weitere Elektronik-Giganten in den Markt eingestiegen. Und der wächst schnell: In Asien ist bereits jede dritte verkaufte Kamera mit Wechselobjektivanschluss eine Spiegellose. Die SLR-Marktführer Canon und Nikon halten sich zwar noch zurück, doch auch sie werden wohl bald Spiegellose vorstellen.

Die Sparte ist noch so jung, dass sich die Fachwelt bis dato nicht einmal auf einen Namen geeinigt hat. Die Vorschläge reichen von EVIL (Electronic Viewfinder Interchangeable Lens, also Kamera mit elektronischem Sucher und Wechselobjektiv) über SILK (Small Interchangeable Lens Camera) bis hin zu CSC (Compact System Camera).

Wesentlich konkreter als die Gattungsbezeichnung ist das derzeitige Marktangebot an Kameras und Objektiven der neuen Generation - und auf der Photokina kommen neue Modelle hinzu.

Hybridlösung als Alternative zum Spiegel

Sony geht mit seinen Modellen Alpha 55V und Alpha 33, die in Köln präsentiert werden, einen Sonderweg in Sachen Systemkamera: Die SLR-typisch gebauten Neuheiten haben zwar noch einen Spiegel, doch der ist teildurchlässig und starr eingebaut, bleibt also zur Belichtung stehen.

70 Prozent des Lichts gelangt direkt zum Sensor, 30 Prozent werden nach oben zum Autofokusmodul geleitet, das laut Hersteller extrem schnell arbeitet und die Tempobremse des Kontrast-AF elegant umgeht. So stellt die Alpha 55V bis zu zehn Bilder pro Sekunde scharf - das liegt auf dem Niveau vielfach teurerer Profi-SLRs.

Mit der SLT (Single Lens Translucent Mirror) genannten Hybridlösung kombiniert Sony die Vorteile der SLR-Bauweise mit den Tugenden der neuen Generation und macht einen interessanten Kompromissvorschlag in der Diskussion um die Abschaffung des Spiegels.

Der Autor ist Chefredakteur der Fachzeitschrift Photographie

© SZ vom 20.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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