Kriminalität im Internet:Nazilieder bei Youtube

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Aus Kanada leugnete der Rechtsextremist Ernst Zündel den Holocaust und wurde dafür in Deutschland verurteilt. Ein Präzendenzfall für Propaganda im Netz.

Bernd Dörries

Wenn man so will, wird vor dem Landgericht Mannheim dieser Tage gegen einen Internetpionier verhandelt. Auch wenn im Saal 1 des Gerichtsgebäudes nur wenig darauf hindeutet. Im Publikum sitzen ältere Herren, von denen manche vom Krieg erzählen oder die Junge Freiheit lesen. Eine Dame mit Bluse verfolgt das Geschehen an der Richterbank mit dem Fernglas. Weiter hinten wird über den letzten Arztbesuch gesprochen. Die Verbindung ins Internet sitzt auf der Anklagebank und heißt Ernst Zündel. Er ist so etwas wie ein Präzedenzfall.

Holocaust-Leugner Ernst Zündel (Foto: Foto: Reuters)

Zündel war wohl der erste Holocaustleugner, der das Internet für seine Zwecke nutzte und damit auch viele Gleichgesinnte erreichte. Und er wird wohl auch einer der ersten sein, der dies vom Ausland aus tat und dafür in Deutschland eine empfindliche Strafe erhalten wird. Am vergangenen Freitag forderte der Staatsanwalt fünf Jahre Haft für den 67-Jährigen, unter anderem wegen Volksverhetzung.

Von der ,,Zundelsite'', einer Internetseite, die der Angeklagte zusammen mit seiner Frau von Kanada aus betrieben hatte, war in dem Plädoyer nur noch wenig die Rede. Der Staatsanwalt schien etwas erschöpft nach mehr als dreißig Verhandlungstagen, die er größtenteils als ,,bizarr'' empfunden habe.

Grenzen der Rechtsverfolgung

Horst Mahler hatte des Öfteren vorbeigeschaut, eine Verteidigerin von Zündel wurde vom Prozess ausgeschlossen und musste aus dem Verhandlungssaal getragen werden, es gab unzählige Anträge und Anträge auf Anträge der Verteidigung. Bei diesem Schauspiel war ein wenig in Vergessenheit geraten, dass der Prozess gegen Zündel auch ein Beispiel für die Möglichkeiten und Grenzen der deutschen Justiz im Umgang mit rechtsextremen Inhalten im Internet ist.

Und gleichzeitig ein Beispiel dafür, dass das Internet kein völlig rechtsfreier Raum ist. Der Fall Zündel zeigt, dass deutsche Staatsbürger auch dann zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie Straftaten im Netz vom Ausland aus begehen. Und er zeigt auch die Grenzen der Rechtsverfolgung - die ,,Zundelsite'' mit ihren Inhalten, wegen denen der Angeklagte vor Gericht steht, ist bis heute zu erreichen. Sie wird auf einem amerikanischem Server betrieben, unerreichbar für die deutsche Justiz.

In den zehn Jahren, seit Ernst Zündel als einer der ersten Neonazis ins Netz ging, ist die Zahl der rechtsextremen Seiten rapide gestiegen. Der niedersächsische Verfassungsschutz zählte im Jahr 1996 noch etwa 30 deutsche Seiten, die von den Bundesländern gegründete Initiative ,,jugendschutz.net'' hat sich im Jahr 2004 bereits mit 1400 rechtsextremen Seiten befasst.

NPD-Videos bei YouTube

Viele Inhalte tauchten aber gar nicht in diesen Statistiken auf, weil die Rechtsextremen nicht nur eigene Seiten aufbauen, sondern sich immer häufiger im Mainstream des Netzes bewegen, sagt Dennis Grabowski, Geschäftsführer der Initiative ,,no abuse in internet''. Rechtsextreme würden heute verstärkt versuchen, ihre Inhalte in ganz ,,normalen Portalen'' wie Youtube oder eigenen Blogs unterzubringen.

Die NPD startete im vergangenen Jahr den Versuch auf Youtube, eine selbst produzierte Nachrichtensendung zu etablieren: Vor einem dem der Tagesschau sehr ähnlichem blauen Hintergrund verlas ein Sprecher die Lage der Dinge aus Sicht der Partei. Mittlerweile sind die Clips bei Youtube verschwunden und die Sendung nur noch in Ausschnitten zu sehen. Vermutlich wurden sie von Youtube, das mittlerweile zu Google gehört, aus dem Angebot genommen.

Für Grabowski ist das aber kein Zeichen für die Selbstreinigungskräfte des Marktes. ,,Die Bereitschaft der Industrie, rechtsextreme Inhalte zu entfernen, ist in den vergangenen Jahren eher gesunken, nur wenn es dem öffentlichen Image schadet, werden Inhalte gesperrt.'' Weiterhin verfügbar bei Youtube sind eine ganze Reihe von Naziliedern mit Titeln wie ,,Gaskammer Gutschein'' oder ,,Sturmführer'', die eigentlich den Nutzungsbedingungen des Unternehmens widersprechen, die gegen Rasse oder Religion gerichtete Inhalte untersagen. Grabowski sagt, vor allem amerikanische Firmen verwiesen bei Fällen der Beanstandung immer wieder darauf, dass die Inhalte nach dortigem Recht unter die freie Meinungsäußerung fallen.

Manchmal aber gelingt es ,,jugendschutz.net'' und anderen Initiativen dennoch, die Anbieter und Serverbetreiber zum Sperren zu bewegen: 2005 wurden in 268 Fällen die beanstandeten Inhalte aus dem Netz genommen, die Hälfte davon bei ausländischen Hosts. Gleichzeitig wurde aber festgestellt, dass Neonazis immer häufiger auf ihre eigenen Hosting-Angebote zurückgreifen, gegen die man machtlos sei.

© SZ vom 3. Februar 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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