Kriminalität im Internet:Am Schalthebel

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Viele Unternehmen haben erkannt, dass ihre Dienstleistungen, Produkte und technischen Infrastrukturen zur Verübung von Straftaten im Internet missbraucht werden. In Organisationen versuchen sie zurückzuschlagen - mit Erfolg.

Titus Arnu

Der Name der Website verhieß nichts Gutes. Um ihre Seite www.heil-hitler.de ins weltweite Netz stellen zu können, meldeten sich die mutmaßlich rechtsextremen Betreiber der unheilvollen Hitler-Seite bei Strato an. Strato ist einer der größten Webhoster Deutschlands, eine Firma, die Platz auf Servern vermietet und Domains verkauft.

(Foto: Screenshot: sde)

Wenn einer Firma wie Strato eine Seite bekannt wird, auf der sich rechtlich problematische Inhalte befinden, kann und muss sie diese abschalten. Die Webhoster haben theoretisch also eine große Macht über das Internet, denn sie sitzen am Schalthebel - sie können Seiten einfach vom Netz nehmen. In der Praxis gestaltet sich die Sache allerdings etwas schwieriger, denn es gibt derzeit kaum eine Möglichkeit, die Informationsmasse im Internet lückenlos zu überwachen und auf strafbare Inhalte zu überprüfen.

Webhoster wie Strato oder Web.de haben allerdings das Problem, dass sie letztendlich für die Inhalte der Seiten haften. Bei mehreren Millionen Domains, deren Inhalt sich täglich ändert, ist jedoch nicht zu kontrollieren, ob sich rechtswidrige Inhalte auf den Seiten befinden. Nicht mal die Namen der Seiten geben immer Aufschluss - www.palaestina.de kann eine Tourismusseite sein, aber auch eine antisemitische Hetzseite, auf der Holocaust-leugner ihre kruden Thesen verbreiten.

Eine Flut von Beschwerden

Die Registrierung der Domain www.heil-hitler.de war Auslöser für eine Initiative der Internetwirtschaft gegen Rechtsextreme, Terroristen und andere Kriminelle im Netz. Der Vereinigung ,,no abuse in internet'' (Naiin) gehören führende Web-Unternehmen an, die zusammen 90 Prozent des Marktes in Deutschland besitzen.

Die Unternehmen erkannten frühzeitig, dass ihre Dienstleistungen, Produkte und technischen Infrastrukturen zur Verübung von Straftaten missbraucht werden. ,,Es muss, wie in der Zivilgesellschaft, auch in der virtuellen Gesellschaft Regeln geben'', sagt Arthur Wetzel, Präsident von Naiin. Die Bekämpfung der Internet-Kriminalität erfordere ein gesamtgesellschaftliches Engagement über die wirtschaftlichen Grenzen hinaus.

Naiin, eine Art freiwilliger Selbstkontrolle der Internetindustrie, funktioniert hauptsächlich über ein Beschwerdesystem. Internetnutzer, die einen strafbaren Inhalt entdecken, können diesen bei der Beschwerdestelle von Naiin melden, auf Wunsch auch anonym. Die Beschwerdestelle in Berlin arbeitet eng mit der Polizei, dem BKA und verschiedenen Jugendschutzverbänden zusammen.

Aus Beschwerden werden Verfahren

Europaweit hat Naiin das höchste Aufkommen an Beschwerden über Internet-Kriminalität. Aus 51.000 Mails, die auf problematische Inhalte hinwiesen, entwickelten sich im Jahr 2005 rund 8000 Verfahren. Ein Rechtsanwalt prüft die Beschwerden auf straf- und zivilrechtliche Relevanz und leitet sie gegebenenfalls an die Internetfahnder der Landeskriminalämter weiter.

Ein Überwachungssystem, das davon lebt, dass sich Internetsurfer gegenseitig verpfeifen, kann das funktionieren? ,,Naiin hat nichts mit Denunziantentum zu tun,'' sagt Arthur Wetzel, ,,eher mit Zivilcourage.''

Auf der Internetseite von Naiin gibt es neben der Beschwerdefunktion viele hilfreiche Hinweise zu Themen wie Phishing, Extremismus und Onlinebanking. Darunter sind auch Schutztipps für Leute, die ihre private Homepage veröffentlichen wollen. Zum Beispiel können sich harmlose Gästebücher auf privaten Internetseiten als Keimzellen des Verbrechens entpuppen. ,,Wir warnen immer wieder davor, Gästebücher zu veröffentlichen und nicht zu pflegen'', sagt Arthur Wetzel, ,,oft sind das Treffpunkte für Online-Verbrecher.''

© SZ vom 10.02.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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