IT-Gipfel in München:Wenn das eigene Facebook fehlt

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Sollen die Amerikaner doch die Teenager bedienen, die in sozialen Netzen ihr Leben ausbreiten. Auf dem IT-Gipfel diskutiert die Branche, wie sie auf eigene Stärken setzen kann: In einigen Bereichen haben deutsche Firmen durchaus das Zeug dazu, vorn dabei zu sein.

Varinia Bernau

Wie zufrieden jemand mit seiner Leistung ist, hängt immer davon ab, mit wem er sich vergleicht: Die 124,4 Milliarden Euro jedenfalls, die deutsche Unternehmen aus Informationstechnik (IT) und Telekommunikation im vergangenen Jahr umgesetzt haben, sind eigentlich eine stattliche Summe. Nur: In den USA wurde fast sechsmal so viel umgesetzt. Deutschland ist im Vergleich nur Mittelmaß. Also: Grund zur Zufriedenheit - oder doch eher zum Jammern?

Beides war zu spüren auf dem IT-Gipfel, zu dem am Dienstag etwa 1000 Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in München zusammenkamen. Das ewige Klagelied, dass in Deutschland ein eigenes Facebook, ein eigenes Google fehlt, mag Peter Bauer jedenfalls nicht mehr hören. "Wir sind in der realen Welt der Wirtschaft, und die skaliert nun einmal nicht so schnell wie die virtuelle Welt", sagt der Chef des Chipbauers Infineon.

Neue Standards setzen

Sollen die Amerikaner doch die Teenager bedienen, die in sozialen Netzen ihr Leben ausbreiten. Bei den Unternehmen, die mittels Computertechnik ganze Fabriken automatisch steuern, ist weitaus mehr zu holen. Und in diesen Bereichen haben deutsche Firmen durchaus das Zeug, vorn dabei zu sein - oder sogar neue Standards zu setzen.

Auch die Kanzlerin weiß, dass Deutschland, wie sie diplomatisch sagt, nicht zu den Stärksten in der IT-Landschaft gehört. "An der Schnittstelle von unserer außergewöhnlich starken Realwirtschaft und den Anwendungen des Internets, da liegt unsere Chance", sagt sie.

Beispiel: Energiewende. Deutschland, so referiert Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler am Dienstag, ist das erste Land, das sich von der Atomenergie verabschiedet hat und sich nun an die Versorgung über intelligente Stromnetze wagt. Das Knowhow, die dabei entwickelten Produkte ließen sich nach Ansicht von Rösler gut exportieren. "Wenn man einen Zug schon mal verpasst hat, dann ist es umso wichtiger, auf den nächsten rechtzeitig aufzuspringen", erklärt der Minister.

Einer ganz ähnlichen Strategie folgt die Branche im Bereich Verkehr oder Gesundheit: Autos, die Staus frühzeitig erkennen und dem Fahrer eine alternative Route vorschlagen; Mediziner, die Röntgenbilder aus der ländlichen Arztpraxis zur Diagnose an den Spezialisten in der Großstadt übertragen können. Doch Wirklichkeit wird das nur, wenn die Datennetze ausgebaut werden. Nach Schätzung des Branchenverbands Bitkom sind dazu 130 Milliarden Euro notwendig.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Philipp Roesler (FDP, l.), lauschen während des 6. Nationalen IT-Gipfels  dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom AG, Rene Obermann, der eine Anwendung auf einem Tablet-PC erklärt. (Foto: dapd)

Nach Auffassung von Infineon-Chef Bauer könnte die Politik noch einiges besser machen, etwa bei der Förderung von Forschung: Hierzulande finde vor allem die Spitzentechnologie in der Forschung Unterstützung, weniger in der Anwendung. Seiner Ansicht nach ließe sich von den Asiaten lernen. "Die fördern sehr stark die konkreten Anwendungen, das Produkt bis hin zum Pilotprojekt."

"Schwellenländer sind wichtige Märkte"

Arnold Picot vom Münchner Kreis hat noch eine Empfehlung für die Unternehmer. Der Wissenschaftler hat untersucht, wie sich die Menschen die digitale Welt der Zukunft vorstellen. Er hat herausgefunden: Um den Datenschutz sorgen sich die Amerikaner noch weitaus mehr als die Deutschen. Und in China und Brasilien ist die Bereitschaft, für einen Internetdienst zu zahlen, wenn er dabei hilft, Zeit zu sparen, weitaus größer als hierzulande.

"Schwellenländer sind wichtige Märkte." Und diese müssten deutsche Unternehmen bei der Entwicklung ihrer Produkte noch stärker beachten - und zwar schon in dem Moment, in dem sie den Wünschen der Kunden nachspüren. Der Münchner Professor sagt: "Technologien nur hierzulande zu entwickeln, zu erproben und sie dann irgendwann zu exportieren, das wird nicht ausreichen."

© SZ vom 07.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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