Internet:Von allen, für alle

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Die USA geben die Verwaltung des Netzes an die Agentur Icann ab, die von allen Betreibern, Staaten und Nutzniesern gleichermaßen gesteuert wird. Der Schachzug ist klug, das Verfahren muss sich aber bewähren.

Von Johannes Boie

Kein Land auf der Welt gibt es mehr, keinen Lebensbereich der Menschen, kein Unternehmen, und vermutlich auch kein Gesetz, das nicht irgendwie mit dem Internet in Verbindung stünde. Entsprechend hoch ist der Druck auf jene Organisation, von der die zentrale Technik des Netzes verwaltet wird. Das ist die Icann, die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers. Erstaunlich, dass die gewaltige Datenmaschine Netz überhaupt noch funktioniert.

Wenn nun die Amerikaner freiwillig auf die Kontrolle eines großen Teils der Icann-Aufgaben verzichten, dann zeigt das, wie groß das Vertrauen in diese einmalige Institution ist. Die Icann ist keine zwischenstaatliche Organisation, wie die UN es sind. Von Oktober an, wenn ein wichtiger Vertrag mit dem amerikanischen Handelsministerium ausläuft, wird sie auch nicht mehr unter der nationalen Kontrolle eines einzelnen Landes stehen.

Die Icann wurde 1998 nach einem ganz neuen Modell entworfen, es entstand eine Multi-Stakeholder-Organisation. Das bedeutet, dass in der Organisation diejenigen über die Technik des Internets entscheiden, die direkt betroffen sind: Regierungen, Firmen und Nutzer. Die Icann verwaltet die Ressource Internet damit auf eine Art und Weise, die es bis zu ihrer Gründung in dieser Größenordnung nicht gab. Das ist revolutionär - und es funktioniert.

Die USA geben die Verwaltung des Netzes ab - ein kluger Schritt

Deswegen ist noch lange nicht alles gut. Nachdem bislang darum gerungen wurde, wie staatsnah die Icann noch sein darf, muss es jetzt darum gehen, trotz der privaten Gesellschaftsform den Non-Profit-Charakter zu stärken. Viele der hochkomplexen Prozesse, die dafür sorgen sollen, dass innerhalb der Icann alle Beteiligten gehört werden, stehen bislang nur auf dem Papier. Sie müssen sich in der Praxis noch bewähren. Auch die Internationalisierung und die Transparenz der Organisation müssen vorangetrieben werden. Und doch: Die erste Etappe ist geschafft.

Dass es so weit kommen konnte, ist ein amerikanisches Verdienst. Nie haben die USA ihre Macht über diesen Teil des Netzes missbraucht, stets haben sie angekündigt, sich früher oder später zurückzuziehen. Gewiss, dass es so kommt, ist auch internationalem Druck nach der Snowden-Affäre geschuldet sowie dem ewigen Genörgel von Russen und Chinesen. Letzten Endes tun sich die Amerikaner selbst einen Gefallen, indem sie zeigen, dass sie ein frei, offen und fair verwaltetes Netz in aller Konsequenz akzeptieren.

Gleichzeitig gelingt es den USA so, die zentrale Verwaltung des Netzes bei der Icann zu halten und die alternativen Ideen anderer Staaten im Keim zu ersticken. Das bedeutet auch, dass die Icann, deren Zentrale in Kalifornien steht, auf absehbare Zeit in der Jurisdiktion der USA verbleibt, dem Mutterland der Meinungsfreiheit. Dass es auch daran wieder Kritik gibt, mögen die Freunde von Edward Snowden verstehen. Aber was wäre die Alternative? Niemand möchte, dass die zentrale Verwaltung des Netzes künftig von China oder von Russland aus gesteuert wird.

© SZ vom 19.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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