Internet in Deutschland:Der Schatz vom Baggersee

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Noch haben ländliche Gebiete eher wenig vom schnellen Breitband-Internet. Zwei Pilotprojekte testen nun die Verbreitung über digitale TV-Frequenzen - doch nicht alle sind begeistert.

Claudia Tieschky

Im Deutschland des Jahres 2008 nutzen nach einer Erhebung der EU 23 Prozent der Bürger schnelle Breitband-Anschlüsse ins Internet, mehr als im europäischen Durchschnitt. Trotzdem fehlt vor allem in ländlichen Gemeinden oft der schnelle Internet-Zugang, und das hemmt die Träume von der Online-Zukunft gewaltig.

Idyllisch wohnen auf dem Land - das bedeutet häufig auch, nicht richtig verkabelt zu sein. (Foto: Foto: dpa)

Ein neues Modell soll jetzt dem ländlichen Raum bessere Versorgung bringen, ganz ohne Erdarbeiten für Glasfaserkabel. Stattdessen könnten TV-Frequenzen das schnelle Breitband-Internet ins Hinterland bringen. Ob das funktioniert, sollen zwei Pilotprojekte der Landesmedienanstalten Berlin-Brandenburg und Baden-Württemberg zeigen. Der Bundesverband Breitbandkommunikation Breko bejubelt die Initiative bereits, Geschäftsführer Rainer Lüddemann spricht von einem "Goldschatz für den ländlichen Raum" - dabei muss sich zeigen, ob es sich nicht eher um den Schatz vom Baggersee handelt.

Um ihr Gold fürchten müssen wohl die Privatsender: Die begehrten Frequenzen sind bislang ihnen zugeteilt, um dort Programme als terrestrisches digitales Antennenfernsehen (DVB-T) auszustrahlen. Frequenzen sind rechtlich dem Rundfunk vorbehalten, auch wenn Anbieter mobiler Dienste hier längst gerne mitmischen würden und in der EU-Kommission mächtige Verbündete besitzen. Es liegt sehr viel Frequenz-Potenzial brach, weil den Sendern die digitale Verbreitung über Antenne besonders in der Provinz zu teuer ist.

"Das Ziel würde jeder Politiker unterschreiben"

Das bestreiten die privaten Rundfunkanbieter nicht, trotzdem provoziert das Antennen-Internet schon jetzt Kontroversen: "Breitband-Internet über Rundfunkfrequenzen zu schicken, ist aus unserer Sicht eine Verschwendung von Ressourcen", kritisiert Katja Pichler, Sprecherin der Fernsehgruppe Pro-Sieben-Sat-1. ,"Internet ist auch ein Rundfunkübertragungsweg", sagt dagegen Hans Hege, Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg MABB. Und Thomas Langheinrich, Chef der Stuttgarter Landesanstalt für Kommunikation (LFK), meint: "Das wichtige Ziel, Breitband in den ländlichen Raum zu bringen, würde jeder Politiker unterschreiben."

Langheinrichs Behörde bringt gerade die Ausschreibung für das Projekt auf den Weg. Weiter ist bereits die MABB. In Wittstock im Ruppiner Land (16.000 Einwohner) soll im Juli ein einjähriges Versuchsprojekt mit 100 Nutzern und dem Betreiber T-Mobile mit technologischer Infrastruktur (WiMax) der Firma Alcatel Lucent starten.

Menschen auf dem Land, argumentiert Hege in einer aktuellen Projektbeschreibung, seien ohne Internetzugang auch deshalb benachteiligt, weil sie beispielsweise mit ihren Rundfunkgebühren die Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender mitfinanzierten, diese aber gar nicht nutzen könnten.

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Für die Pilotprojekte wollen die Medienanstalten in Abstimmung mit der Bundesnetzagentur sehr gute Frequenzen hergeben (die LFK aus dem Bereich um 800 Megaherz; die MABB bei 700 bis 750). Das teure Antennen-Fernsehen dort zu verbreiten, ist auch großen Privatsendern zu aufwändig - ,"weil wir im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen Sendern keine finanzielle Unterstützung dafür bekommen", sagt Tobias Schmid, Leiter der RTL-Abteilung Medienpolitik. Dank technischer Entwicklung könne Antennenfernsehen aber bald attraktiver werden, sagt Schmid, der angesichts der Projektpläne fordert: ,"Die Enwicklungsgarantie des Privaten Rundfunks muss gewährleistet bleiben."

Erinnerungen an die UMTS-Auktion

Pro Sieben-Sprecherin Pichler sagt, ihre Sendergruppe nutze die Frequenzen zwar nicht für DVB-T in der Fläche, "das bedeutet aber nicht, dass wir sie generell nicht für den Rundfunk nutzen könnten, beispielsweise durch ein technologisch verbessertes Antennenfernsehen, für Handyfernsehen oder andere Dienste".

Tatsächlich haben die Landesmedienanstalten einiges versucht, um privates Fernsehen auch in der Provinz via DVB-T gewährleisten zu können - bis hin zur finanziellen Förderung, die jedoch von der EU gekippt wurde. Das Internet-Projekt könnte nun den für den Rundfunk zuständigen Ländern immerhin eine Berechtigung dafür bringen, die Frequenzen wie bisher in der Hand zu halten: EU-Kommissarin Viviane Reding wirbt gerne dafür, einen Teil der durch die Digitalisierung freiwerdenden Frequenzen zu versteigern. Das erinnert an die Auktion bei UMTS. Die deutschen Sender - kommerzielle wie gebührenfinanzierte - fürchten um die Ressourcen für das Kulturgut Rundfunk.

Die Auktions-Träume der EU könnten der Provinz helfen

So geht es allen Beteiligten erkennbar auch darum, Angriffsflächen für Brüssel zu vermeiden und Frequenzpläne zu gestalten, bevor die EU reguliert. LFK-Chef Langheinrich glaubt: ,"Wir machen mit dem Breitband-Projekt deutlich, dass wir unseren Grundsatz nicht aufgeben. Die Länder sind die Herren der Rundfunkfrequenzen."

Auch der Brüssel-erfahrene RTL-Stratege Schmid sagt: ,"Es macht keinen Sinn, dass wir auf toten Ressourcen sitzen." Er ist aber skeptisch, ob sein Sender die Frequenzen jemals zurückerhalten würde, und fordert ,"transparente Gespräche" mit den Medienanstalten.

Ausgerechnet die Auktions-Träume der EU könnten am Ende der Provinz helfen, hofft man nun in Stuttgart. Sollte sich das Antennen-Internet bewähren, dann könnten gerade wirtschaftliche Überlegungen die Netzbetreiber ins bislang unattraktive Hinterland locken: Die Frequenzen dafür bekämen sie, ohne sie teuer ersteigern zu müssen.

DVB-T: Das digitale Antennenfernsehen DVB-T wurde seit 2002 sukzessive in Deutschland eingeführt. Es bietet in Ballungsräumen bis zu 24 private wie öffentlich-rechtliche Programme. Allerdings: Abseits von städtischen Ballungsräumen und dicht besiedelten Landstrichen wie NRW ist es für die Sender kostspieliger, einen Haushalt mit DVB-T zu erreichen statt über digitales Kabel oder Satellit. Sechsmal so teuer soll es nach Expertenmeinung sein, einen Haushalt mit DVB-T zu erreichen als mit Kabel. Die Folge: Auf dem Land kommen meistens nur die Öffentlich-Rechtlichen über die Antenne.

© SZ vom 26.3.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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