Internet-Atlas:Die fahrenden Augen von Google

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Der Internetkonzern fotografiert systematisch Straßenzüge und Häuser deutscher Städte - Datenschützer protestieren.

Helmut Martin-Jung

Wenn die Sonne scheint in München, Berlin oder Frankfurt, kann man sie antreffen, irgendwo auf einer der größeren Straßen: Schwarze Opel-Kleinwagen mit einem sonderbaren Gestänge auf dem Dach. Dieses sieht aus wie eine Mischung aus Geschwindigkeitsradar und Computerlabor.

Sieht aus wie ein Geschwindigkeitsradar:Auf Kleinwagen angebrachte Kameras wie diese fotografieren die Häuser und Straßenzüge deutscher Städte. (Foto: Foto: Bert Schulze, www.bertschulze.de)

Sechs Digitalkameras, die in einer Art Starenkasten untergebracht sind, fotografieren in hoher Auflösung die kompletten Straßenzüge deutscher Städte. Bald schon werden die Ansichten im digitalen Internet-Atlas "Maps" von Google zu sehen sein. Ob Kudamm, Leopoldstraße oder Zeil: Überall soll man am Computer virtuell durch deutsche Städte streifen können, 360-Grad-Rundumsicht inklusive.

Aber darf man überhaupt Straßenzüge und Häuser ablichten und ins Internet stellen? "Das ist nicht in Ordnung", sagt der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert, "das kommt ja einer Auskunftei über die Wohnverhältnisse in der gesamten Republik gleich."

Straßen systematisch zu fotografieren und im Internet zur Verfügung zu stellen, sei etwas grundsätzlich anderes als wenn man selbst durch die Straßen gehe, sagt Weichert, "die Gefährdungslage ist eine mehrfache."

Leichtes Spiel für Diebe?

Zum Beispiel könnten Diebe geeignete Objekte auskundschaften, Versicherungen potentielle Kunden taxieren oder Auskunfteien die Bonität überprüfen. Nächste Woche wollen die deutschen Datenschutzbeauftragten in der Arbeitsgemeinschaft Geodaten über das Google-Projekt beraten.

In den USA hat Google bisher rund 40 Städte durchfotografiert, darunter San Francisco und New York. Wie viele es in Deutschland sein werden, will Google nicht sagen. Es liege aber im Interesse Googles, sagt Sprecher Stefan Keuchel, alle Städte zu fotografieren.

Wann die ersten Bilder aus deutschen Städten online zu sehen sein werden, steht ebenfalls noch nicht fest. Damit die Bilder möglichst gleich aussehen, wird meistens nur bei Sonnenschein fotografiert. Die Autos fahren dabei sehr langsam, alle paar Sekunden schießen die Kameras ein Bild.

Verdeckte Gesichter und Nummernschilder

Nach anfänglicher Kritik hat Google ein Verfahren entwickelt, das automatisch einen Unschärfefilter an der Stelle setzt, an der die Software im Originalbild Gesichter oder Nummernschilder erkennt. Sollte trotz dieser Maßnahmen noch jemand zu erkennen sein, der das nicht wünsche, sagt Google-Sprecher Keuchel, "reagieren wir und machen ihn unkenntlich."

Als der Dienst vor etwas mehr als einem Jahr in den USA an den Start gegangen war, kam es zu einer Reihe von Beschwerden, vor allem, weil Personen deutlich erkennbar abgebildet wurden.

Bekannt geworden ist eine Katzenbesitzerin aus Oakland in Kalifornien, die überrascht war, plötzlich ein Foto ihres Hauses im Internet zu finden, mit Kater Monty deutlich erkennbar auf dem Fenstersims. Blogger machten sich in der Folge einen Spaß daraus, aus den Bildern solche von Menschen in kompromittierenden Situationen herauszupicken - Studentinnen, die sich barbusig sonnten zum Beispiel, oder Männer, die beim Verlassen eines Sexshops oder bei ihrer Festnahme abgelichtet worden waren.

"Es geht nicht um Personen, sondern um Städte"

Im Unterschied zu Überwachungskameras, wie sie in Großbritannien mittlerweile in großer Zahl eingesetzt werden, finden sich bei Googles Straßenansichten allerdings keine Live-Bilder. "Es geht uns nicht um Personen, es geht uns um die Städte", sagt Sprecher Stefan Keuchel.

Er wundere sich daher umso mehr, dass ausgerechnet aus Großbritannien Widerstand gegen Googles Fotostreifzüge angekündigt wird. Britische Datenschützer sind skeptisch, ob es Google gelingt, Gesichter und Nummernschilder unkenntlich zu machen.

"Wir wollen unseren Nutzern helfen, sich eine fremde Stadt zu erschließen", sagt Stefan Keuchel. "Wer zum Beispiel noch nie in San Francisco war, kann sich anschauen, in welcher Gegend das Hotel liegt und ob man in der Nähe irgendwo frühstücken kann." Es sei natürlich in einer späteren Ausbaustufe auch denkbar, ortsbezogene Werbung einzubinden, etwa in der Form, dass man auch in ein Geschäft hineinsehen kann. "Im Moment ist das aber noch nicht auf der Agenda", sagt Keuchel.

Etwas konkreter ist da schon eine andere Idee, die bereits vor einigen Wochen zu sehen war. Da zeigte Google den Prototyp eines Handys mit dem Betriebssystem Android, das eine Firmenallianz unter Führung von Google entwickelt. Das Gerät enthielt einen Kompass und konnte damit stets das zum Aufenthaltsort passende Straßenbild liefern.

© SZ vom 08.07.2008/mei - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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