Games Convention in Leipzig:Pirouetten auf hohem Niveau

Lesezeit: 3 min

Neben "Hardcore-Gamern" gibt es immer mehr Gelegenheitsspieler. Die Branche stellt sich darauf ein. Und präsentiert auf der Games Convention Angebote, die unterhalten, belehren - und keine Zeit kosten.

Jürgen Schmieder

Auf der Videoplattform YouTube gibt es einen Clip, in dem ein Herrchen seinen Hund zu einem Computerspiel herausfordert. Er bindet seinem Tier die Controller um die Pfoten und startet ein Boxmatch.

Der Mensch hat keine Chance gegen die flinken Bewegungen des Tieres und geht in der zweiten Runde virtuell zu Boden. Der Hund wedelt mit seinem Schwanz und lässt sich streicheln.

Ein Video mit einer eindeutigen Botschaft: Das Bild vom typischen Computerspieler - ein pickliger Teenager, der mehr als acht Stunden täglich vor dem Computer sitzt und zum Ego-Shooter wird - ist ein Anachronismus. Längst haben Hausfrauen, Grundschulkinder, Manager und Rentner die virtuelle Welt für sich entdeckt.

Eine kürzlich erschienene Studie von Realnetworks zeigt, dass sich die Anzahl der Menschen, die sich weltweit mit Computer, Konsole oder Handheld beschäftigt, in den vergangenen 15 Monaten verdreifacht hat. Spielehersteller Ubisoft hat deshalb kürzlich eine neue Abteilung ins Leben gerufen: "Gaming for Everyone". Der Trend: Jeder spielt. Ubisoft-Chef Yves Guillemot sagt dazu: "Die Kunden haben sich verändert und verlangen andere Spiele."

Wenn die Games Convention am Mittwoch fürs Fachpublikum und am Donnerstag für alle anderen Besucher ihre Tore öffnet, und die Hersteller auf mehr als 115.000 Quadratmetern neue Spiele präsentieren, werden nicht nur die "Hardcore-Gamer" in Leipzig sein und um die besten Plätze kämpfen.

Negativimage abgelegt

Unter den erwarteten 200.000 Besuchern werden sich auch Vertreter der neuen digitalen Generation befinden, denn die Messe in Leipzig ist mittlerweile eine der wichtigsten Messen für interaktive Medien. Sie hat die Electronic Entertainment Expo in Los Angeles überflügelt und kämpft mit der Tokyo Game Show um den Spitzenplatz.

Computerspiele haben das negative Image abgelegt, das ihnen jahrelang anhaftete. Schuld waren Schlagzeilen über amoklaufende Spieler oder über Profis, die nach exzessivem Spielen geschwächt vom Stuhl fielen. Die Debatte um das Verbot von Killerspielen wird mittlerweile nicht mehr so heftig geführt wie noch vor ein paar Monaten, wohl auch, weil die Selbstkontrolle der Industrie besser greift.

So wurde das Spiel "Manhunt 2" bereits vor dem Start in Großbritannien verboten, auch in Deutschland wird es keine Freigabe erhalten. Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität Hamburg zeigt, dass gerade das Spielen am Computer die Produktivität fördert und die geistige Leistungsfähigkeit erhöht.

Die Branche hat sich zu einer relevanten Kunstform entwickelt, die Spiele werden in den Feuilletons besprochen wie Kinofilme, Ausstellungen und Bücher. Schuld daran sind die sogenannten "Casual Gamer", deren Alter und Geschlecht sich nicht mehr genau definieren lässt und die eine völlig neue Art von Spielen fordern.

Es ist ein lukrativer Trend für die Hersteller. Sie mussten feststellen, dass die Verkaufszahlen der bekannten Titel für extreme Spieler stagnieren - auf hohem Niveau zwar, doch gab es lange keinen Ausreißer mehr nach oben. Das Spiel "The Sims" liegt sieben Jahre zurück, "World of Warcraft" startete vor drei Jahren.

Spieler als Produzenten

Die Firma Nintendo reagierte im Bereich der Konsolen am schnellsten und brachte im vergangenen Jahr Wii auf den Markt. Eine Konsole, die sich explizit an Spieler richtet, die ohne schwer verständliche Handbücher und diffizile Tastenkombinationen Spaß haben möchten. Der Großteil der Wii-Spiele sind keine aufwendigen Produktionen, sondern schlichte Ideen, die mit nur einem Ziel entwickelt wurden: maximalen Spaß zu bereiten.

Seit der Einführung im Dezember vergangenen Jahres wurden weltweit mehr als neun Millionen Konsolen abgesetzt. Auch die Entwickler stellen sich der Herausforderung und setzen auf neue Genres: Partyspiele, Tierheim-Simulationen, Fitness-Programme, Plastikgitarren-Wettkämpfe.

Ein weiterer Trend ist, dass die Spieler auch als Produzenten tätig werden. Viele Hersteller bieten sogenannte Mods an, mit denen man bei vorhandenen Spielen eigene Levels erstellt, Charaktere entwickelt und neue Handlungsstränge einführt. So wie Amateurfilmer ihre Videos bei YouTube einstellen, bieten Hobbydesigner ihre Ideen zum Herunterladen an.

Die Games Convention ist durch die neue Spielergeneration dort angekommen, wo sie sich selbst seit Jahren sieht. Sie ist keine Randveranstaltung für Zocker, sondern eine Messe, die den Großteil der Bevölkerung interessiert. Es wäre noch zu früh, sie mit der Frankfurter Buchmesse oder den Filmfestspielen von Cannes zu vergleichen. Sie befindet sich aber auf dem richtigen Weg.

© SZ vom 22.08.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: