Fotografieren mit Kompaktkameras:Von Licht, Schatten und Schärfe

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Es muss nicht immer eine teure Spiegelreflex sein. Auch mit billigen Digitalkameras lassen sich gute Bilder schießen. Fototipps - nicht nur für den nächsten Urlaub.

Helmut Martin-Jung

Der Sprinter scheint förmlich aus dem Bild zu springen. Plastisch zeichnen sich seine Muskeln unter der Haut ab, die Gesichtszüge sind vor Anstrengung verzerrt. Und obwohl er so rasend schnell läuft, ist das Foto doch knackscharf, als habe jemand einfach für einen Moment die Zeit angehalten. Wer Profi-Fotografen und ihre Ausrüstung sieht, könnte leicht auf den Gedanken kommen: Ohne kiloschwere und sündteure Ausstattung sind solche Bilder nicht zu machen. Daran ist etwas Wahres, aber auch mit preisgünstigen Kompaktkameras kann man viel bessere Fotos schießen als viele sich zutrauen. Unsere Tipps orientieren sich an den Möglichkeiten, die solche Kameras bieten, treffen aber auch auf Spiegelreflex-Geräte zu.

[] Verschlusszeit und Blende

Vieles hat sich durch den Einzug der Digitaltechnik in die Fotografie verändert, doch die Grundprinzipien sind gleich geblieben: Licht wird von Linsen eingefangen und auf eine lichtempfindliche Schicht geworfen. Eine Blende ähnlich der Pupille des menschlichen Auges steuert, wie viel Licht durchdarf, und ein Verschluss regelt, wie lange das Licht in die Kamera gelassen wird. Für die korrekte Belichtung des Fotos ist die Lichtmenge entscheidend, egal, ob man mit einer langen Verschlusszeit länger Licht hereinlässt, oder durch eine kleinere Blendenöffnung weniger davon. Oder ob man die Blende weiter aufmacht, dafür aber den Verschluss schneller einstellt.

Für das, was abgebildet wird, ist aber sehr wichtig, wie mit diesen Parametern umgegangen wird. Fotografiert man den Sprinter mit einer langen Verschlusszeit, wird man von ihm nur einen Wischer sehen - er hat sich ja, während der Verschluss offen war und Licht in die Kamera fiel, weiterbewegt. Sollen also Bewegungen eingefroren werden, muss die Verschlusszeit möglichst kurz sein.

Doch je kürzer die Verschlusszeit, desto weiter muss man die Blende aufmachen - schließlich soll genügend Licht in die Kamera kommen. Die weit geöffnete Blende aber bleibt nun ebenfalls nicht ohne Auswirkung auf das Bild. Je weiter sie offensteht, desto geringer ist der Bereich, in dem das Motiv scharf abgebildet wird, die sogenannte Schärfentiefe. Auch wer sich darunter zunächst nichts vorstellen kann, kennt doch den Effekt: Porträts wirken oft viel beeindruckender, wenn sie sich von einem unscharf dargestellten Hintergrund abheben. Um diesen Effekt zu erhalten, muss die Blende also möglichst weit geöffnet werden.

Wie aber beeinflusst man überhaupt Blende und Verschlusszeit bei kleinen Knipsen, die doch scheinbar alles automatisch machen? Die meisten Kameras haben zumindest einige Motivprogramme. Sie passen wichtige Einstellungen häufig vorkommenden Situationen an. Ein Motivprogramm "Sport" beispielsweise wird eine möglichst schnelle Verschlusszeit wählen, das für "Porträt" eine große Blende. Bei besseren Kameras kann man Blende oder Verschlusszeit auch selbst einstellen, die restlichen Parameter besorgt die Automatik. Nicht verwirren lassen: je kleiner die Zahl, die angegeben wird, desto größer die Blendenöffnung.

[] Belichtung und Motivprogramme

Wer sich die Motivprogramme seiner Kamera einmal ansieht, wird dabei möglicherweise auch eines für Sonnenuntergang finden. Wozu braucht man das nun wieder? Die Automatik-Funktion der Kamera versucht, jedes Foto so zu belichten, dass im Schnitt ein mittlerer Grauwert erreicht wird. Doch wenn die Situation dem nicht entspricht, kommt es zu Fehlbelichtungen. Beim Sonnenuntergang ist es dunkler als üblich, und das soll auf dem Foto auch zu sehen sein. Deshalb muss man der Kamera mitteilen, dass sie weniger Licht hereinlassen und den Blitz ausschalten soll. Wer also kein Motivprogramm "Sonnenuntergang" hat, kann immer noch den Blitz ausschalten und etwas unterbelichten. Den sogenannten EV-Wert kann man oft auch bei günstigen Kameras beeinflussen. Um den Sonnenuntergang richtig zu erfassen, sollte man ihn um ein bis zwei Stufen heruntersetzen. Umgekehrt gilt: Ist es sehr hell, etwa auf der Skipiste, muss man den EV-Wert erhöhen, weil die Kamera denkt, das Licht würde schon reichen. Motive, die im Schnee stehen, würden somit viel zu dunkel abgebildet.

[] Blitzen mit Kompaktkameras

Die Blitze, die in Kameras eingebaut sind, taugen nur als Notbehelf. Geht es darum, bei Dunkelheit weiter entfernte Objekte abzulichten, kann man sie gleich völlig vergessen. Ihr Licht reicht nämlich nur einige Meter weit, seine Menge nimmt im Quadrat zur Entfernung ab. Besser ist es, den Blitz gleich abzuschalten und - wenn man schon kein Stativ mitschleppen will - die Kamera auf eine feste Unterlage zu stellen, am besten mit der Selbstauslöserfunktion, dann verwackelt nichts. Zur Not reicht es auch, die Knipse seitlich abzustützen, beispielsweise an einer Straßenlaterne.

[] ISO-Werte und Sensoren

Außer Blende und Verschlusszeit gibt es noch einen Faktor, der die Lichtmenge beeinflusst: Die Empfindlichkeit des Sensors, der in Digitalkameras den Film ersetzt. Angegeben wird der in ISO-Werten. Da in kleinen Kameras kleine Sensoren verbaut werden, die trotzdem zehn und mehr Millionen Bildpunkte liefern, sitzen diese darauf dann sehr nahe nebeneinander. Regelt man ihre Empfindlichkeit hoch, kommt es zu immer mehr Fehlern, dem sogenannten Bildrauschen. Um das zu verhindern, versuchen die Chips in den Kameras die Fehler glattzubügeln. Sie treffen dabei aber auch viele unschuldige Bildpunkte, sodass im Endergebnis oft die Details vermatschen. Von ISO-800 an kann man die meisten Kleinknipsen deshalb nicht mehr gebrauchen. Unternehmen lässt sich dagegen recht wenig, es hilft nur mehr Licht oder eine bessere Kamera - hier sind Geräte mit größeren Sensoren eindeutig im Vorteil.

© SZ vom 18.06.2012/pauk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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