Film vs. Videospiel:"Häufig zu simpel"

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Wenn Til Schweiger ab heute in der "FarCry"-Verfilmung Schurken jagt, ist das erste Opfer die sinnvolle Handlung. Filmexperte Jan Distelmeyer über die Grenzen des Mediums und den Mythos des Digitalen.

Mirjam Hauck

sueddeutsche.de: Heute startet in den Kinos "FarCry", die Verfilmung des gleichnamigen, sehr erfolgreichen Ego-Shooters. Ein Spiel als Kinofilm - lässt sich das überhaupt sinnvoll umsetzen?

Til Schweiger und Udo Kier - die Helden von "FarCry". (Foto: Foto: 20th Century Fox)

Jan Distelmeyer: Das kommt darauf an, wie man das Wort sinnvoll versteht. Ökonomisch sinnvoll oder vielversprechend ist es auf alle Fälle, wenn ein Spiel schon eine große Klientel hat. Dann können Macher und Produzenten annehmen, dass die Zielgruppe zusätzlich Geld für eine Kinokarte oder eine DVD ausgeben wird.

Ob sich die Inhalte sinnvoll übertragen lassen, ist schon schwieriger zu beantworten. Wie bei Literatur- oder Comic-Verfilmungen gibt es Hindernisse, von einem Medium ins andere zu wechseln.

sueddeutsche.de: Computerspiele leben von der Interaktivität. Der Spieler greift direkt in die Handlung ein. Beim Film ist das ja kaum möglich.

Distelmeyer: Es gibt den Mythos des Digitalen: Demnach ist nur mit digitalen Medien Interaktivität möglich. Nur wenn man etwas steuert, sei man auch aktiv. Aber das stimmt so nicht. Man kann sich Filme nicht passiv ansehen. Filme provozieren Aktivität. Die Kinozuschauer reagieren auf das, was auf der Leinwand passiert. Sie erleben, sie verstehen, sie lachen, sie weinen, sie rufen dazwischen, sie reden oder sie stören die Vorstellung.

Die meisten Videospiel-Verfilmungen sind häufig zu simpel, sie setzen dementsprechend einfach darauf, Schlüsselmomente, Perspektiven und Charaktere des Spiels auf die Leinwand zu übertragen. Wie das nicht funktioniert, hat schon die "Super-Mario"-Verfilmung aus dem Jahr 1993 gezeigt, in der Bob Hoskins als Mario im Klempneranzug Dennis Hopper jagt.

sueddeutsche.de: Interaktive Steuerungselemente haben also keinen Platz in Kinofilmen?

Distelmeyer: Natürlich gab es das. In den frühen 1990er Jahren hatten die Zuschauer des Films "I'm your man" zum Beispiel die Möglichkeit per Knopfdruck eine von bis zu drei Handlungsvarianten auszuwählen. Bei DVDs haben sich interaktive Steuerungselemente allerdings durchgesetzt - unter anderem in Form der Auswahlmenüs.

Häufiger finden sich bei Filmen allerdings ästhetische und dramaturgische Merkmale aus Videospielen. Beispielsweise die (zuvor aus Filmen entlehnte) subjektive Perspektive aus einem First-Person-Shooter oder die Ästhetik der Wiederholung. So muss Heath Ledger in "Ritter aus Leidenschaft" ein Turnier nach dem anderen bestreiten. Filmkritiker bemängeln bereits ähnliche Auswirkungen, wie etwa eine simple Jump-&-Run-Dramaturgie bei "Fluch der Karibik 2".

sueddeutsche.de: Sorgt die Übernahme von Elementen aus Spielfilmen also dafür, dass Kinofilme verflachen?

Distelmeyer: Nein, so einfach ist das nicht. Filme übernehmen auch komplexe Organisationslogiken, operieren mit ungewohnten Ort- und Zeitwechseln. Der merkwürdige Blockbuster "Mit Schirm, Charme und Melone" ist ein Beispiel dafür. Allerdings war das ein Riesenflop, wahrscheinlich weil das Publikum etwas im Geiste der Sechziger-Jahre-TV-Serie erwartete. Aber der Film ist anders erzählt, er enthält viele Sprünge.

sueddeutsche.de: Spiel und Film nähern sich nicht nur auf der Plot-Ebene an. Auch bei der Vermarktung ist Hollywood Vorbild, wenn Microsoft die Figuren des Shooters "Halo 3" auf dem roten Teppich inszeniert.

Distelmeyer: Die Verbindung zwischen diesen Medien wird in Zukunft sicher immer enger werden. Peter Jackson hat die Videospiel-Umsetzung seines Blockbusters "King Kong" begleitet. Und der Hersteller Electronic Arts hat sich 2005 die Zusammenarbeit mit Steven Spielberg gesichert. Dennoch werden beide Bereiche ihre eigene Medialität behalten. Das Kino ist weiterhin ein magischer Ort und die spielerische Qualität hat nur das Game.

Es ist aber auch falsch, allzu scharfe Grenzen zwischen diesen Medien zu ziehen. Videospiele sind für Hollywood schon seit den 1980er Jahren ein großes Thema, wie beispielsweise die Filme "Tron", "Joysticks" oder "War Games" zeigen. Auch in "Sag niemals nie" spielt James Bond ein Videospiel. 1993 bemerkte Hollywoods Branchenfachblatt Variety, Interaktivität sei das heißeste Thema der US-Filmindustrie.

sueddeutsche.de: Mit Computerspielen lässt sich auch viel Geld verdienen.

Distelmeyer: Gerne wird ja der monetäre Gegensatz beschworen, dass die Spieleindustrie mehr erwirtschaftet als die Filmbranche. Das stimmt aber nur, wenn man allein die Box-Office-Umsätze heranzieht. Werden die DVD-Verkäufe mit einbezogen, stimmt die Rechnung schon nicht mehr.

Dr. Jan Distelmeyer ist Dozent im Bachelor- und Masterstudiengang Europäische Medienwissenschaft der Universität und der FH Potsdam.

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