Entwicklungshilfe:Laptop für die Lehmhütte

Lesezeit: 2 min

In diesen Tagen beginnt die Massenproduktion des 100-Dollar-Computers XO. Millionen Kinder aus Drittweltländern sollen so noch in diesem Jahr persönliche Laptops und sogar Zugang zum Internet bekommen. Doch das Projekt ist nicht unumstritten.

Helmut Martin-Jung

Laptops für 100 Dollar das Stück - so ein Projekt konnte den Größen der IT-Welt nicht gefallen. "Nehmt doch lieber einen richtigen Computer als einen, an dem man kurbeln muss", giftete etwa Microsoft-Gründer Bill Gates.

Nicholas Negroponte vom Massachusetts Institute of Technology präsentiert den 100-Dollar-Laptop (Archivfoto) (Foto: Foto: AFP)

Doch der Internet-Missionar Nicholas Negroponte ließ sich nicht von Gates' Verbalattacken beirren und auch nicht vom Chiphersteller Intel, der flugs einen eigenen, "Klassenkamerad" getauften Billig-Laptop auf den Markt warf. Ein Konsortium aus Firmen und Wissenschaftlern des Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelte den Computer XO trotzdem.

In diesen Tagen beginnt die Massenproduktion. Noch in diesem Jahr sollen Millionen Kinder in Entwicklungsländern erstmals ihren persönlichen Computer in Händen halten. Noch wird das Gerät zwar 175 statt der für 2008 angepeilten 100 Dollar kosten, dennoch steckt in dem knuffig abgerundeten grün-weißen Plastikgehäuse eine Technik, die sich die Großen zum Vorbild nehmen könnten.

So verbraucht der stabile, wassergeschützte Computer im Betrieb nur etwa zwei Watt, ein Bruchteil dessen, was moderne Notebooks aus dem Akku ziehen. Man kann ihn daher problemlos mit einem als Zubehör erhältlichen Fußpedal oder über Sonnenkollektoren aufladen.

Internet für die entlegensten Gegenden

Der kleine, aber sehr hochauflösende Bildschirm lässt sich sowohl in Farbe betreiben als auch in einem äußerst kontrastreichen Schwarz-Weiß-Modus. Der Bildschirminhalt ist so auch bei gleißendem Sonnenlicht gut erkennbar. Weil in tragbaren Computern die Festplatten das empfindlichste Bauteil sind, hat man für den 100-Dollar-Laptop darauf verzichtet.

Statt dessen steckt in dem Rechner ein eingebauter Festspeicher, wie man ihn auch für Digitalkameras verwendet. Als Betriebssystem dient eine von allem unnötigen Ballast befreite Version des freien Systems Linux. Und dass passt nicht nur in den kleinen Speicher des Gerätes, es steuert auch das wohl interessanteste Merkmal.

Jeder dieser Computer empfängt und sendet nicht nur wie gewöhnliche Laptops Daten ins Internet. Er ist gleichzeitig auch eine Verbindungsstation, die benachbarten Geräten den Zugang ins Netz ermöglicht. Eine Kette von 100-Dollar-Laptops kann deshalb das Internet auch in die entlegensten Gegenden bringen.

Kritik an den Kosten

Kritiker vor allem aus Afrika fragen sich allerdings, ob es wirklich Internet und E-Mails sind, was Kinder in Drittweltländern am dringendsten brauchen. Die armen Länder sollten für Hunderte Millionen Computer zahlen, dabei fehle es oft an Schulgebäuden oder trinkbarem Wasser. Und in die Anschaffungskosten seien die Kosten für Wartung, Schulung und Internetzugang noch gar nicht einkalkuliert.

Ein anderer Kritiker, der frühere Microsoft-Mitarbeiter John Wood, rechnet vor, dass eine Bibliothek für 2000 Dollar von 400 Kindern genutzt werden könnte. Das sei ein passenderes Bildungsangebot etwa für die dichten Regenwälder von Vietnam.

Visionär Negroponte aber glaubt, dass die Kinder in den armen Ländern das Gerät brauchen, um das Lernen zu lernen, notfalls auch ohne Schule oder Lehrer. So ist denn auch die Software gänzlich anders als jene, die Computernutzer gewohnt sind.

Das Gesamtkonzept überzeugte am Ende auch Konkurrent Intel. Er trat wie viele andere Firmen dem Konsortium bei und spendete die obligatorischen zwei Millionen Dollar. Könnte ja sein, dass sich einige der vielen Millionen Kinder später einen großen Computer kaufen.

© SZ vom 24.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: