Eingeschränkte Privatsphäre:Aufbruch ins Dunkelfeld

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Mit immer mehr Technik werden die Bürger überwacht, beobachtet und abgehört - im Namen der Verbrechens- und Terrorbekämpfung.

Annette Ramelsberger

Jeden Tag kommen neue Forderungen: Fingerabdrücke sollen in den Pass, Telefondaten monatelang gespeichert werden. Während der Bürger im Internet surft, soll die Polizei heimlich auf seiner Festplatte spionieren dürfen. Alles scheint möglich zu sein - doch was wird wirklich angewendet?

Die Standardsituation im wirklichen Leben: Einer Polizeistreife fällt ein Auto auf. Noch im Vorbeifahren kann die Polizei über Computer abrufen, ob der Wagen gestohlen ist und wie der Halter heißt. "Es gibt Situationen, in denen wäre es eine Sünde, den Fahrer nicht zu kontrollieren", sagt der bayerische Innenminister Günther Beckstein.

Zum Beispiel, wenn ein junges Bürschchen in einem schweren Mercedes sitze. Seit Jahren gibt es in einigen Bundesländern diese sogenannte Schleierfahndung. "Höchst ergiebig" sei dieses Mittel, sagt der Chef des hessischen Landeskriminalamtes, Peter Raisch. Vor allem die Reisen von Verdächtigen könne man gut verfolgen. "Wir brechen in ein Dunkelfeld auf."

Die Datei, in der die Polizei die Daten abruft, heißt Inpol. Wenn das Auto nicht gestohlen und der Fahrer nicht gesucht wird, passiert nichts. Mit der neuen AntiTerror-Datei, die am 30. März in Betrieb ging, werden die Daten nicht abgeglichen - normale Streifenpolizisten haben darauf keinen Zugriff.

Finden sie im Kofferraum des kontrollierten Autos aber ein Videospiel "Im Tiefflug über Deutschland" und Kassetten mit Mullah-Gesängen, könnten sie ihre Beobachtungen weitermelden.

Die Polizei ist seit Jahren im Netz unterwegs

Hat der Verdächtige einen neuen Ausweis, sind in Zukunft seine Fingerabdrücke darin gespeichert. Zur Fahndung taugen die allerdings schlecht: Für eine erkennungsdienstliche Behandlung sind alle zehn Finger und die Handfläche nötig. Außerdem können die Polizisten den Abdruck nicht aus dem Chip auslesen. Rechtlich geregelt ist das ohnehin nicht.

Die Standardsituation im virtuellen Leben: Der Bürger surft im Internet, er plaudert in Chatrooms. Auch hier kann er auf Kontrollen treffen - denn die Polizei surft seit Jahren im Netz.

"Der Chat eines Fanclubs kann auch schnell dafür genutzt werden, die Übergabe von Drogen oder Waffen zu vereinbaren - natürlich mit Codewörtern", sagt Bernd Carstensen, Kriminalhauptkommissar in Kiel und Vize des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. "Was wir da machen, ist wie ein normaler Streifengang im Milieu. Wir kennen auch im Internet die Ecken, wo eher mal was passiert."

Bislang keine Rechtsgrundlage

Höchst umstritten jedoch ist die Weiterentwicklung dieser Arbeit: die Online-Durchsuchungen, bei der die Polizei heimlich dabei ist, wenn ein Verdächtiger surft. Dieser Eingriff hat bisher keine Rechtsgrundlage und wurde vom Bundesgerichtshof untersagt. "Im wahren Leben ist es doch so", sagt Polizeichef Raisch, "wenn wir eine Hausdurchsuchung machen, finden wir eine gelöschte Festplatte, und der Junge lacht sich kaputt. Der kommt heim und macht weiter".

Terrorverdächtige speichern ihre Dateien nur noch selten auf der eigenen Festplatte, sondern im Internet. "Wir kommen da nie wieder ran", sagte der Chef des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, kürzlich. Die Online-Durchsuchung erscheint Praktikern als wichtigste Neuerung, den Bürgern allerdings auch als unheimlichste, weil sie sich hier in ihrem Alltagsleben betroffen fühlen.

Die wirkliche Überwachung der Wohnung hat dagegen extrem abgenommen, seit das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass der Kernbereich privater Lebensführung geschützt werden müsse. Seitdem ist die Zahl der Fälle, in denen die Polizei Wanzen in Wohnungen anbringt, auf rund sechs im Jahr zurückgegangen - denn sobald zum Beispiel die Mutter eines Verdächtigen hereinkommt, müssen die Fahnder aus der Leitung gehen. "

Und wer sagt uns dann, wann die Mutter dass Zimmer wieder verlässt?", fragt einer. Dabei war das Mittel bisher durchaus hilfreich: So wurde dadurch entdeckt, dass Rechtsradikale in München einen Anschlag auf den Bau der jüdischen Synagoge verabredeten. Die Union will Wanzen wieder nutzbar machen: Ein Band soll mitlaufen und ein Richter entscheiden, was nur privat und was gefährlich ist.

Am wenigsten umstritten ist das ganz normale Telefonabhören - die wichtigste Waffe im Kampf gegen Terror. Schon jetzt werden in Terrorprozessen tagelang diese Bänder vorgelesen, auf denen zu hören ist, wie sich Täter verabreden. Die Zahl der Telefonüberwachungen hat zugenommen. Insgesamt wurden im Jahr 2005 mehr als 12 000 Personen abgehört. Ein Richter muss jeweils zustimmen.

© SZ vom 3.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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