Digitalpläne von ARD und ZDF:"Eine Rosstäuscherei"

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Nach den Zeitungsverlegern attackiert nun Wolfgang Fürstner, Geschäftsführer des Zeitschriftenverlegerverbands VDZ, die Online-Offensive von ARD und ZDF.

Claudia Tieschky

SZ: ARD und ZDF fühlen sich mit ihrer Digitalisierungsstrategie rechtlich auf der sicheren Seite. Der VDZ bestreitet das. Warum?

Wolfgang Fürstner, Geschäftsführer des Zeitschriftenverlegerverbands VDZ (Foto: N/A)

Wolfgang Fürstner: Weil die Öffentlich-Rechtlichen so tun, als müssten sie lediglich die neuen Vorgaben von Brüssel erfüllen. Tatsächlich liegt die wichtigere Schranke im deutschen Medienrecht: Bei ARD und ZDF müssen Online-Publikationen auf eine programmbegleitende Randbetätigung beschränkt bleiben. Das ergibt sich aus deutschem Verfassungs- und Medienrecht und muss auch so bleiben. Wenn die Öffentlich-Rechtlichen versuchen, diese wichtige Schranke zu beseitigen, dann ist das eine Rosstäuscherei. Allein tagesschau.de ist in großen Teilen schon nicht mehr programmbegleitend.

SZ: Welche Konsequenzen fürchten Sie für die Zeitschriften?

Fürstner: Wir sehen darin die Basis der freien Presse und die Pressevielfalt der digitalen Welt bedroht. Allmählich digitalisiert sich die gesamte Presse, der Online-Anteil steigt, aber die Refinanzierungsmodelle sind nach wie vor fragil. Wenn wir in dieser Aufbauphase eine mit staatlicher Finanzgarantie arbeitende Konkurrenz haben, ist das eine unfaire Wettbewerbs-Situation. Auf diesen Sachverhalt halt VDZ-Präsident Dr. Hubert Burda bereits vor Jahren aufmerksam gemacht. Die Presse kämpft in der digitalen Revolution letztlich um ihr wirtschaftliches Überleben. Bei ARD und ZDF sind derzeit 53 Millionen Euro Gebührengeld für Onlineaktivitäten eingeplant. Das entspricht nach meiner Einschätzung etwa 600 Arbeitsplätzen - mehr als die privatwirtschaftlich organisierten Zeitschriften online zusammen aufbieten.

SZ: ARD und ZDF argumentieren, dass sie keine neuen Inhalte bringen, sondern ihre Angebote nur zeitgemäß verpacken. "Umbau statt Ausbau" heißt das Schlagwort. Damit müssten Sie doch leben können?

Fürstner: Nein. Es handelt sich eben nicht um Verbreitung von Hörfunk und TV in der neuen Technologie Internet, gegen die wir im Prinzip nichts einzuwenden haben. Die Digitalisierungs-Strategie der ARD will vielmehr Online-Angebote mit Text, Bild und internettypischen Abrufvideos. Das hat mit Programmverbreitung nichts mehr zu tun.

SZ: Kann man diese Trennlinie in der digitalen Welt aufrechterhalten?

Fürstner: Ja. Wenn Sie die Kosmetik-Rezepte aus einer Sendung von Jean Pütz online finden, dann ist das ergänzend und hat Programmbezug. Wenn ein Sender aber online ein komplettes Kosmetik-Selfmade-Studio dazu aufbietet, das auch für sich genommen selbstständig funktionieren könnte, dann ist das nicht programmbegleitend. Für Juristen sind solche Abgrenzungen kein Problem.

SZ: Brüssel hat Auflagen für ARD und ZDF gefordert, ansonsten scheint die Wettbewerbs-Kommission aber auch mit den Digitalplänen der Sender zufrieden. Wo waren die Lobbyarbeiter der Zeitschriftenverleger?

Fürstner: Das Problem ist nicht Brüssel. Die EU verlangt ja ausdrücklich weitere Begrenzungen. Zum Beispiel ein Testverfahren, das sichern soll, dass digitale Neuheiten zum Grundauftrag der gebührenfinanzierten Sender passen. Das Problem ist vielmehr, dass ARD und ZDF nun versuchen, mit diesem Test den gültigen Rechtsrahmen in der deutschen Medienpolitik auszuhebeln. Im Endeffekt fiele dann die Begrenzung auf Programmbegleitung weg. Das Wort Test klingt gut, aber die Sender drehen es zu einem Blankoscheck um, online alles machen zu dürfen, was irgendwie journalistisch begründbar ist.

SZ: Gibt es denn Hinweise, dass der Test eine bestehende Gesetzeslage aushebeln könnte, wie Sie vermuten?

Fürstner: Wenn man die Digitalstrategie der ARD liest und darüber mit den politisch relevanten Kreisen spricht, dann muss man diese Sorge haben, ja.

© SZ. vom 6.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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