Datenschutzgipfel in Berlin:Weihnachten für Datenschützer

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Bundesinnenminister Schäuble überrascht die Datenschützer, indem er deren Wunschlisten ohne Murren abnickt. Nur bei Klassentreffen hört der Spaß auf.

T. Denkler, Berlin

Es müssen seltsame fünf Minuten im Leben des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar gewesen sein. Sonst ist es seine Aufgabe, mit bedenkenschwangerer Miene, die neuesten Kapriolen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu kommentieren. Diesmal aber hat Schäuble ihn offenbar überrascht.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (v.l.n.r.) in Berlin. (Foto: Foto: dpa)

Am Morgen hatte Schäuble bundesdeutsche Datenschutzkompetenz in seinem Ministerium zum Datenschutzgipfel zusammengerufen. Mit dabei neben Schaar und seinen Kollegen aus den Ländern waren auch Justizministerin Brigitte Zypries (SPD), Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU) sowie die Innenminister der Länder unter der Führung von Jörg Schönbohm (CDU) aus Brandenburg.

Alle auf einer Linie

Das Überraschende: Schon in den ersten Minuten der Sitzung haben die Anwesenden Schaars Anforderungen an einen konkretes Gipfelergebnis ohne Wimpernzucken abgenickt.

Selbst nachdem Schäuble später die Ergebnisliste der Presse vorgestellt hatte, war Schaar noch ganz von der Rolle. Er und seine Kollegen aus den Ländern hatten sich vor dem Gipfel einen Forderungenkatalog zurechtgelegt - "und der Bundesminister hat diese Punkte soeben referiert", sagt Schaar, noch lächelnd, als wenn schon Weihnachten wäre.

Das Datenschutzgesetz soll noch in diesem Jahr geändert werden. Die Gipfelteilnehmer wollen dabei gleich an mehreren Stellschrauben drehen, die seit Jahren auf der Wunschliste der Datenschützer stehen.

Künftig werden Unternehmen die Daten ihrer Kunden nur weitergeben dürfen, wenn diese dem ausdrücklich vorher zugestimmt haben. Bisher müssen viele Kunden dem ausdrücklich widersprechen, was oft versäumt wird.

Gütesiegel Datenschutz

Verboten wird auch, ein Geschäft an die Erlaubnis zu koppeln, die Daten weiterverkaufen zu dürfen. Fallen soll zudem das sogenannte Listenprivileg. Danach ist es Unternehmen erlaubt, Personen mit ähnlichen Merkmalen zusammenzufassen und als Datensatz weiterzuverkaufen. Bei Verstößen sollen die Datendiebe künftig mit höheren Strafen und Bußgeldern rechnen müssen.

Besonders am Herzen liegt Schaar sei langem die Einführung eines Gütesiegels Datenschutz. Das soll jetzt Realität werden. In einem Audit-Verfahren sollen Unternehmen ihre Datenschutzbemühungen überprüfen lassen können und am Ende mit dem Gütesiegel belohnt werden. Die Kriterien sollen bis Ende des Jahres im Bundesinnenministerium entwickelt werden. Sicher ist nur: Die Kandidaten müssen dafür Datenschutz weit über das gesetzliche Mindestmaß hinaus betreiben.

Einig waren sich die Gipfelteilnehmer auch über eine Kennzeichnungspflicht für Datensätze. Aus jedem Datensatz soll künftig hervorgehen, ob er aus einem Preisausschreiben stammt, oder ob der Kunde die Daten angeben musste, um ein Buch zu erwerben. Unklar ist hier nur die Umsetzung. "Das muss am Ende auch praktikabel sein", sagt Schaar.

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm wird die Aufgabe zuteil, eine Arbeitsgruppe zu leiten. Die soll juristische Probleme und Vollzugsdefizite in den Ländern analysieren, die sich auch in den jüngsten Datenskandalen aufgetan haben. Damit das keine Endlosveranstaltung wird, hat Schönbohm angekündigt, bis zur Innenministerkonferenz im November Ergebnisse vorlegen zu wollen.

Es braucht mehr Stellen

Zu den Fragen der Arbeitsgruppe wird auch die personelle Ausstattung der Datenschutzbehörden gehören. In manchen Stellen sitzen nur vier Leute, die für Tausende Unternehmen zuständig sind, hat Schaar bei anderer Gelegenheit mal vorgerechnet. Wie viele Stellen hier geschaffen werden müssen, will er jetzt aber nicht sagen. Da müssten die Ergebnisse der Schönbohm-Arbeitsgruppe abgewartet werden.

Weiter auf der Tagesordnung bleibt allerdings der Umgang mit den Daten der Einwohnermeldeämter. Noch kann sich jedermann die Adresse eines beliebigen Bundesbürgers besorgen. Demnächst wird das Meldewesen gesetzlich neu geregelt, weil sich die Zuständigkeit dafür mit der ersten Föderalismusreform von den Ländern auf den Bund übertragen hat.

Auf dem Gipfel spielte das Thema keine Rolle. Datenschützer Schaar machte aber deutlich, das er einen derart freizügigen Umgang mit den Meldedaten für bedenklich hält. Schäuble findet das nicht. Für ihn hat das deutsche Meldewesen mehr Vor- als Nachteile.

Vor Jahren etwa habe er ein Klassentreffen organisieren müssen. Dabei sei er auch auf Daten der Melderegister angewiesen gewesen. Es könne deshalb nur um eine "vernünftige Begrenzung des Missbrauchs" gehen. Wenn es um Klassentreffen geht, scheint mit dem Innenminister nicht zu spaßen sein.

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