Cebit:Eine Branche elektrisiert sich selbst

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Nach einigen enttäuschenden Jahren herrscht bei High-Tech-Firmen wieder Aufbruchstimmung.

Markus Balser

Wenn die Cebit an diesem Donnerstag zum 20. Mal ihre Hallen öffnet, dürften viele Besucher irritiert an einigen Ständen vorbeilaufen. Denn chinesische Unternehmen wie Lenovo, ZTE oder Haier sind in Europa kaum bekannt.

Die Masse dürfte es eher zu den bekannten Multis wie Nokia, Motorola oder Microsoft hinziehen, die mit bunten Auftritten auf sich aufmerksam machen wollen. Neben dieser Elektronikprominenz fristen die Asiaten ein Schattendasein - "noch", ist sich Zhou Yunjie, Vizepräsident von Haier sicher. "Wir erarbeiten uns den Weltmarkt, Stück für Stück."

Mit einem ausgeklügelten Expansionsplan treibt China die Globalisierung der heimischen Wirtschaft voran - auch in der IT-Branche. "Schwärmt aus!", lautet die Parole der chinesischen Regierung.

Die digitale Revolution schreitet voran und wirbelt die gesamte High-Tech-Industrie durcheinander. Anbieter aus Fernost wollen in diesem Jahr in Hannover die Gunst der Stunde nutzen, um auf den neuen Märkten schlagartig zu bedeutenden Wettbewerbern auf dem Weltmarkt zu werden.

"In 20 Jahren Cevit hat es keinen vergleichbaren Umbruch gegeben"

Sowohl bei den Flachbildschirmen als auch bei den so genannten Multifunktionsgeräten mit Handy, Kamera und MP-3-Spielern wollen sie die westlich Konkurrenz mächtig herausfordern.

"In 20 Jahren Cebit hat es keinen vergleichbaren Umbruch gegeben", sagt Willi Berchtold, Präsident des Branchenverbandes Bitkom. Die IT-Branche stehe vor einer Zäsur und befinde sich in einer neuen Orientierungsphase, glaubt auch Ernst Raue, Vorstandsmitglied der Deutschen Messe.

Der technologische Wandel vollziehe sich rasant. Den Wandel können die Messeveranstalter auch in ihrer eigenen Statistik ablesen. Immer mehr Neulinge aus China, Taiwan oder Südkorea wollen sich einen Namen machen. Die Etablierten beobachten die wachsende Konkurrenz mit Sorge. "In der Branche herrscht Verunsicherung", stellt Raue fest.

Größter Hoffnungsträger auf der Cebit in diesem Jahr ist der Markt für digitale Unterhaltungselektronik. Denn längst geht es in Hannover nicht mehr nur um Rechenknechte im kieselgrauen Plastikgehäuse.

Wurden in den vergangenen Jahren Server und Großrechner in Szene gesetzt, schleppen Mitarbeiter nun ganz neue Ausstellungsstücke in die Messehallen: Sofas, Kommoden und Kühlschränke. Die IT-Branche will in Hannover zeigen, was dem Kunden ihrer Meinung nach fehlt: ein intelligentes Zuhause. Die Grenzen zwischen Telekommunikation, Computern, Elektronik, Software und Medien verschwinden.

Dreistelliger Milliarden-Umsatz

Weil immer mehr Breitbandanschlüsse schnelle Übertragungen ermöglichen, wird das Internet zehn Jahre nach dem Massenstart zum allumfassenden Medium. Selbst Film- und Musikindustrie geben ihre Zurückhaltung auf und sprechen neuerdings von Wachstumschancen im digitalen Heim. Allein der IT-Konzern Apple verkaufte seit dem Start seines Musikdienstes I-Tunes inzwischen mehr als eine Milliarde Songs im Netz.

Zwar werden viele Trends in Hannover nicht zum ersten Mal beschworen. Doch jetzt werben die Hersteller mit einem neuen Attribut für ihre Lösungen.

Die Produkte sollen alltagstauglich werden. Selbst "Normalverbraucher könnten sich künftig ein vernetztes Haus leisten", orakelt Microsoft-Chef Bill Gates. Dass neben Geräten auch Software für ihre Vernetzung im großen Stil verkauft werden, stimmt die Branche überaus positiv.

In der Europäischen Union wird der Umsatz der IT-Branche in diesem Jahr nach Berechnungen des Branchenverbandes Bitkom um 3,2 Prozent auf 643 Milliarden Euro steigen. Für nächstes Jahr erwartet der Verband in Europa 2,9 Prozent und weltweit 3,8 Prozent Wachstum.

"Unsere Branche wächst in diesem Jahr in der EU deutlich stärker als die Gesamtwirtschaft", sagt Bitkom-Präsident Berchtold. Auch der IT-Arbeitsmarkt in Deutschland entspannt sich. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Jobs in der Branche um 4000 auf 749 000. Berchtold ist sich sicher: "Nach dem Platzen der New Economy-Blase 2001 ist es mit der Bescheidenheit der IT-Branche nun endgültig vorbei."

© SZ vom 09.03.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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