Brockhaus im Netz:Herzen und Köpfe

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Die 21. Auflage des Brockhaus, die 2005 zum 200-jährigen Jubiläum mit großem Tamtam erschienen war, wird die letzte sein. Fraglich ist, ob Brockhaus im Netz überleben kann.

Caspar Busse

Selbst Armin Mueller-Stahl konnte nichts mehr ausrichten. Im vergangenen Herbst hatte der Schauspieler persönlich eine Sonderedition der Brockhaus-Enzyklopädie gestaltet. Auf jeweils sechs Buchrücken der 30-bändigen Brockhaus-Ausgabe waren bunte Kunstwerke von Mueller-Stahl zu sehen. Es kam eine limitierte Auflage von 999 Exemplaren zum Preis von jeweils knapp 5000 Euro in den Handel. Doch der erhoffte Schub blieb aus. Seit dieser Woche ist klar: Die 21. Auflage des Brockhaus, die 2005 zum 200-jährigen Jubiläum mit großem Tamtam erschienen war, wird die letzte sein. Künftig wird es die Enzyklopädie nur noch im Internet geben.

Im vergangenen Herbst hatte der Schauspieler Armin Mueller-Stahl persönlich eine Sonderedition der Brockhaus-Enzyklopädie gestaltet. Das Modell im Bild war auf der Frankfurter Buchmesse zu sehen. (Foto: Foto: dpa)

"Wir haben die Herzen und Köpfe erobert, aber nicht die Geldbeutel", meint resigniert ein Brockhaus-Sprecher. Die Enzyklopädie rechne sich einfach nicht mehr, Brockhaus erwartet für 2007 einen Verlust von mehreren Millionen Euro. Eigentlich müssten mindestens 20.000 Exemplare des monströsen Werks mit insgesamt 24.500 Seiten verkauft werden, damit sich eine neue Auflage rechnet. Doch es waren bis jetzt deutlich weniger, die Erwartungen wurden deutlich verfehlt. Die Kunden würden Sachinformationen fast nur noch online im Internet abfragen, so die Begründung.

Deshalb wechselt Brockhaus jetzt radikal die Strategie: Ab Mitte April wird ein kostenloses Lexikon-Portal online gehen, das sich aus Werbeeinnahmen finanzieren soll. Brockhaus will zum "Wissensnavigator im Internet" werden. Ob dieses Konzept angesichts der harten Konkurrenz im weltweiten Netz aufgehen wird, ist offen. Wikipedia etwa ist schon lange da - kostenlos und etabliert. Gerade erst starteten auch der Spiegel-Verlag und Bertelsmann ein Wissensportal.

Ende einer Ära

Hinter dem Ende der Ära Brockhaus steht vor allem Andreas Langenscheidt, der geschäftsführende Gesellschafter des Münchner Verlagskonzerns gleichen Namens. Schon 1988 war die Mannheimer Firma Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, so der volle Name, in Problemen: die Renditen im Lexika-Markt waren auch damals schlecht, der britische Verleger Robert Maxwell wollte Brockhaus übernehmen. Doch Langenscheidt kam ihm zuvor und stieg auf Wunsch der Familie Brockhaus ein. Heute kontrollieren die Münchner drei Viertel der Anteile am Brockhaus-Verlag.

Andreas Langenscheidt, 55, führt seit 1990 die internationale Gruppe, die vor zwei Jahren das 150-jährigen Firmenjubiläum feierte. 1856 in Berlin als Sprachenverlag gegründet ist Langenscheidt heute einer der größeren Verlagshäuser in Deutschland, 2006 lag der Gesamtumsatz mit rund 1400 Mitarbeitern bei immerhin 263 Millionen Euro - mit einer Rendite von in den vergangenen Jahren geschätzt knapp zehn Prozent. Langenscheidt konnte in den vergangenen Jahren leicht wachsen, obwohl die Buchbranche insgesamt über stagnierende Geschäfte stöhnt.

Groß geworden ist Langenscheidt, inzwischen eine weltweit bekannte Marke, vor allem mit den gelben Wörterbüchern, die ein großes blaues "L" zieren. Hier beziffern die Münchner ihren Marktanteil auf 60 Prozent. Ein Langenscheidt-Wörterbuch liegt sogar bei Papst Benedikt auf dem Tisch. Andreas Langenscheidt als direkter Nachfahre von Firmengründer Gustav führt die Firma nun in fünfter Generation. Noch immer ist Langenscheidt in Familienbesitz, auch wenn es immer wieder Interessenten gibt, die einstiegen wollen. Derzeit sind rund zehn Gesellschafter beteiligt. Die Familie, darunter auch der in der Öffentlichkeit bekannte und präsente Florian Langenscheidt, trifft sich regelmäßig zu Gesellschafterversammlungen.

Zum weit verzweigten Unternehmen, das in den vergangenen 20 Jahren vor allem durch Zukäufe gewachsen ist, gehören aber neben dem Brockhaus-Verlag auch die Reiseführer Polyglott und APA-Insights Guides, die Sprachschule Berlitz sowie der Duden und Meyers-Lexikon. Allen Produkten setzt das Internet zu, aber nirgends ist die Lage offenbar so dramatisch wie beim Brockhaus. Wörterbücher und Duden sind weiter gefragt. Dem traditionsbewussten Langenscheidt dürfte die Entscheidung, die gedruckte Version des Brockhaus aufzugeben, nicht leicht gefallen sein. Schon länger kämpft der Verleger mit der Konkurrenz aus dem Netz, doch das Image der Marke Brockhaus war zuletzt doch arg verstaubt.

Brockhaus-Werber Mueller-Stahl, so teilte der Verlag im Oktober mit, würde auf eine einsame Insel den kompletten Brockhaus mitnehmen. Sollte er dort kein Internet haben, wird er ihn auch brauchen.

© SZ vom 14.02.2008/mri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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