Das Netz hat vermutlich genauso viele Abgründe wie Nutzer, aber der bekannteste dieser Abgründe ist 4chan. Das Internetforum, das Netzkultur, Wahnsinn, Niedertracht und gemeinschaftliches Engagement für Gutes wie Schlechtes kombiniert, ist jetzt verkauft worden. Damit verbannt vor allem Christopher Poole jene Netz-Geister aus seinem Leben, die er als 15-Jähriger mit der Gründung von 4chan selbst gerufen hat - und deren Handlungen ihm in den vergangenen Jahren immer wieder über den Kopf gewachsen sind.
Nach Zahlen nämlich ist 4chan eines der erfolgreichsten Internetprojekte aller Zeiten: 20 Millionen Besucher hat die Seite nach Angaben der New York Times am Tag. Hinzu kommen ein paar Funktionen, die sich auch an anderen Stellen im Netz gut machen würden. Viele Posts sind nur für einen kurzen Zeitraum zu sehen und werden dann sofort wieder gelöscht. Die Nutzer agieren unter Pseudonym oder anonym. Das ist für viele Nutzer natürlich attraktiv.
Promi-Nacktfotos, widerliche Fotomontagen, glorifizierte Gewalt
Dass Poole dank des Forums trotzdem nicht ein weiterer Dotcom-Milliardär, sondern nur ein öfters verzweifelter junger Mann blieb, liegt daran, für welche Nutzer Anonymität und hohe Geschwindigkeit attraktiv sind. Der klassische 4chan-Nutzer treibt sich am liebsten in der Unterkategorie /b/ herum, einem virtuellen Ort, der sämtlichen Vorurteilen gerecht wird, die man gegen die schrägsten Auswüchse der Internetkultur hegen kann. Hier stehen geklaute Nacktfotos von Prominenten und Unbekannten neben Bildern toter Tiere, Fotomontagen jenseits allen Anstands neben Glorifizierung von sinnloser Gewalt.
Dabei, und das ist das eigentlich Bemerkenswerte, entstehen in diesem Abgrund oft auch Insiderwitze und selbstreferenzielle Scherze, von denen es einige geschafft haben, auf weit bekannteren Seiten wie Reddit oder Facebook wiederholt zu werden. Die Nutzer von 4chan, die häufig geschmacklos, aber nicht immer dumm sind, produzieren auch ständig Memes, also Bilderwitze, die so universell sind, dass sie Millionen Menschen auf der ganzen Welt begeistern. So prägen sie die digitale Welt.
Poole, der im Netz und auf 4chan unter seinem Pseudonym "moot" bekannt ist, kam mit dem Wahnsinn nicht immer klar. Sein Käufer, der wie Poole nichts über den Preis verlauten lässt, ist der Japaner Hiroyuki Nishimura. Er hat bereits vor 4chan ähnliche Webseiten mit Erfolg im Netz gegründet.