Anti-Nazi-Proteste in Dresden:Polizei spähte Tausende Handy-Daten aus

Lesezeit: 1 min

Die Dresdner Polizei hat nach Protesten gegen die Neonazi-Aufmärsche im Frühjahr Handy-Verbindungen Tausender Demonstranten und Anwohner ausgewertet. Der massive Verstoß gegen geltendes Datenschutzrecht verblüfft sogar die Staatsanwaltschaft.

Die Polizeibehörden in Dresden haben bei den Anti-Neonazi-Protesten im Februar dieses Jahres offenbar die Handyverbindungen von Tausenden Demonstranten und Anwohnern ausgespäht.

Demonstrant in Dresden (Symbolbild): Problematische Funkzellenauswertung. (Foto: dpa)

Wie die tageszeitung (taz) unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft Dresden berichtet, hat es am Nachmittag des 19. Februar in der Dresdner Südvorstadt eine sogenannte Funkzellenauswertung gegeben.

Dabei seien von allen Handybesitzern, die sich zu dieser Zeit in dem Gebiet aufgehalten haben, sämtliche eingehende und ausgehende Anrufe und SMS sowie die jeweilige Position erfasst worden. Die Funkzellenauswertung sollte laut Zeitung ursprünglich zur Aufklärung eines schweren Landfriedensbruchs dienen.

Die erhobenen Verbindungsdaten seien dann aber in mehreren Fällen auch in Ermittlungen gegen Personen eingeflossen, denen lediglich die Störung der angemeldeten Nazi-Demonstration vorgeworfen wird, wie die Staatsanwaltschaft dem Blatt bestätigte.

Mittlerweile sei die Staatsanwaltschaft Dresden aber der Ansicht, dass dieses Vorgehen juristisch nicht haltbar sei. "Wir halten das für nicht notwendig und nicht verwertbar", sagte Lorenz Haase, Oberstaatsanwalt in Dresden, dem Blatt.

Keine Verhältnismäßigkeit erkennbar

Dieser Meinung ist auch der IT-Rechtsexperte Thomas Stadler: "Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist allein deshalb nicht gewahrt, weil die Maßnahme erkennbar dazu führt, dass tausende von Versammlungsteilnehmern erfasst werden", schreibt er auf seinem Blog Internet-Law. "Daneben müsste es [bei einem berechtigten Einsatz, d. Red.] sich auch um eine Straftat von erheblicher Bedeutung gehandelt haben und die Ermittlung der Täter müsste ohne die Maßnahme wesentlich erschwert sein."

Auch der Rechtsanwalt Udo Vetter stimmt in die Kritik ein: "Die Demonstration war von einem Riesenaufgebot Beamter überwacht. Schon von daher wird man nicht ernstlich annehmen können, kleinere Delikte könnten nur durch Funkzellendaten geklärt werden", schreibt er auf seiner Seite Lawblog.de.

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, forderte den Gesetzgeber auf, die Funkzellenauswertung stärker als bisher einzugrenzen "außerdem sind klare Vorgaben für die Verwendung der dabei gewonnenen Daten notwendig", sagte er der Zeitung.

Kriminalisierung friedlicher Proteste?

Wolfgang Neskovic, rechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Linkspartei, die Funkzellenabfrage treffe friedliche Demonstranten und Anwohner. "Nach der einschlägigen Rechtsprechung dürfte sie rechtswidrig gewesen sein". Der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, Johannes Lichdi, erklärte, die Zweckentfremdung der Daten durch die Polizeibehörden zeige, "dass von höchster Stelle alles getan wurde, um die friedlichen Proteste zu kriminalisieren".

Der sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig hat laut Zeitung am Freitag Anfragen dazu an Innenministerium, Staatsanwaltschaft, Polizei und Landeskriminalamt gestellt.

© sueddeutsche.de/dapd - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: