Zigarettenfreie Zone:Rauchzeichen

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Dürfen Tabak-Konzerne vor Unis werben? Berlin sorgt sich um den Jugendschutz von Studenten. Die können die Aufregung nicht verstehen.

Von Denis Schnur

Gratiskaffee auf dem Weg zur Vorlesung, kostenlose Zigaretten und dazu ein kleines Gewinnspiel. Bei den rauchenden Studenten der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) kam die Aktion gut an. Im Mai und Juni standen Promoter vor ihrer Lehranstalt und warben unter dem Motto "Vive le Campus" für die Zigarettenmarke Gauloises. Der dahinter stehende Konzern Reemtsma sucht gezielt die Nähe von Studenten, schließlich gelten die als zukünftig zahlungskräftig und potenzielle Trendsetter.

Wenig Euphorie lösten die Aktionen bei den Nichtraucherschützern des "Forum Rauchfrei" aus, die alsbald dagegen auf die Barrikaden gingen. In einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister prangerten sie gesetzeswidrige und "zynische" Versuche an, gezielt Studenten zum Rauchen zu verführen. Schlimm sei das vor allem, weil viele Erstsemester keine 21 Jahre alt seien, daher als "Heranwachsende" gelten.

Alarmiert durch den offenen Brief, reagierten gleich zwei Berliner Senatsverwaltungen: nicht verboten, ergo legitim, heißt es aus dem Umweltsenat. Berechtigte Beschwerde, unerwünschte Tabakwerbung bei Jugendlichen aus dem Wissenschafts- und Jugendsenat. Dort geht man auch gleich einen Schritt weiter: Zwar könne man nur Werbung im öffentlichen Raum verhindern, aber die Hochschulen wurden gebeten, solche Veranstaltungen künftig zu unterbinden - falls es ihnen möglich ist.

Die "Zielgruppe" kann die ganze Aufregung nicht recht verstehen

Dem verantwortlichen Tabakkonzern Reemtsma dürfte dieser Vorstoßherzlich egal sein, schließlich wähnt man sich auch hier im Recht: Die Aktion habe auf privatem Gelände stattgefunden, betont dessen Sprecher Christian Cordes gegenüber der SZ. Außerdem wolle man ja keine Jugendlichen zum Rauchen bringen, sondern lediglich "junge Raucher von der Konkurrenz abwerben". Wer an der Aktion teilnehmen wolle, müsse bestätigen, dass er volljährig ist - und vor allem vorher schon regelmäßig geraucht hat. All jene, auf die das zutrifft, bilden laut Cordes die "legale Zielgruppe". Und dass man die in der Nähe von Hochschulen suche, sei nicht nur naheliegend, sondern auch völlig legitim.

Die Zielgruppe selbst kam in dem Streit bisher kaum zu Wort, versteht aber auch die Aufregung nicht. Denn einerseits fangen die wenigsten Studenten erst an der Uni mit dem Rauchen an, andererseits sehen sie sich nicht als schutzbedürftige Gruppe an. "Ich denke nicht, dass eine solche Werbebude viele junge Studierende verführt", erklärt etwa Henrik Rubner, Berliner Student und Mitglied im Bundesvorstand von Campusgrün, der Grünen-nahen Hochschulorganisation. Diese Meinung scheint lagerübergreifend bei politischen Studentengruppen zu gelten: Alexander Schopf von der liberalen Hochschulgruppe sieht das nämlich ähnlich: Für ihn sind Studenten nicht zuletzt durch ihren hohen Bildungsstand "mündige Verbraucher".

Für den Grünen Rubner liegt das eigentliche Problem ohnehin woanders: Die Universität werde immer stärker zum Werbe- und Wirtschaftsraum. Während Hochschulen im Inneren mit Plakaten gepflastert sind, diskutiert man in Berlin darüber, ob vor der Uni der Jugendschutz eingehalten wird. Das sei der falsche Ansatz, so Rubner. "Die Hochschule muss ein werbefreier Raum sein. Dabei ist es ganz egal, ob mir die Plakate Zigaretten, Alkohol oder das nächste Fitness-Studio anpreisen."

© SZ vom 10.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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