Studentenvertreter:Grillwürste für die Wähler

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Heidelberger Hörsaal: Wie auch in anderen Bundesländern gehen in Baden-Württemberg Studenten kaum zu den Hochschulwahlen. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Neue Gremien, alte Probleme. Baden-Württembergs Verfasste Studentenschaften erleben nach ihrer lang ersehnten Gründung Frust.

Von Denis Schnur

36 Jahre lang kämpften Studenten in Baden-Württemberg dafür, wieder eine politische Vertretung zu bekommen. 2013 wurde dieser Wunsch erfüllt: Seitdem dürfen die Hochschüler im Südwesten Räte und Parlamente wählen, wie es für Kommilitonen in allen Bundesländern außer Bayern schon lange normal ist. Nur - wie in anderen Ländern eben auch - scheint dies die meisten nicht zu interessieren: Die Beteiligungen an den studentischen Wahlen zwischen Konstanz und Mannheim kratzen selten an der 20-Prozent-Marke, bleiben mitunter einstellig. Auch wenn nach der Wiedereinführung der Studi-Vertretungen die Euphorie vielerorts groß war: Sie scheint verpufft beziehungsweise bei der Mehrzahl gar nicht angekommen zu sein.

Dabei war das lange anders: Die CDU-Landesregierung hatte die Verfassten Studierendenschaften im Jahr 1977 überhaupt erst abgeschafft, weil ihr die Studierenden zu aktiv und vor allem zu links waren. Mit dem Verbot wollte man den "roten Sumpf" austrocknen. Zwar blieb danach an den Hochschulen ein Allgemeiner Studierendenausschuss (Asta) erhalten, dieser durfte sich jedoch nur noch zu musischen, sportlichen und sozialen Belangen äußern - und unterstand in allen Fragen dem Uni-Senat.

Mit Euphorie gründeten sich Verfasste Studierendenschaften; das Interesse daran blieb mau

Mit der Landtagswahl 2011 änderte sich nicht nur die politische, sondern auch die hochschulpolitische Landschaft: Die neue grün-rote Regierung führte die Studierendenschaften wieder ein. 2013 gründeten sich Studierendenräte und -parlamente, die sich auch politisch äußern, Beiträge einziehen und als juristische Person auftreten dürfen.

Und sie stürzten sich zügig in die Arbeit: In Heidelberg verhandelten die Studentenvertreter nach den ersten Wahlen ein neues Semesterticket mit den Verkehrsbetrieben aus, jahrzehntelang hatte das Studentenwerk die Aufgabe treuhänderisch übernommen. In Freiburg rühmt sich die Studentenschaft, dass sie zur Einführung einer Zivilklausel an der Uni beigetragen hat, mit der man sich von Militärforschung distanziert. Im kleineren Konstanz veranstaltet die Studierendenvertretung (Stuve) ein vergleichsweise großes Festival. Kurzum, in Baden-Württemberg wird normal, was außerhalb der beiden südlichen Bundesländer lange Realität ist: Studierende organisieren sich, verhandeln für sich selbst und prägen das Leben in ihren Städten und an der Universität.

Aber auch in einem anderen Punkt passt sich das "Ländle" schnell der bundesdeutschen Normalität an. Denn trotz der Freude bei Fachschaften und Hochschulgruppen scheint sich die Begeisterung der Kommilitonen in Grenzen zu halten. Wie im Rest der Republik gehen selten mehr als zehn Prozent hin, wenn Uni-Gremien gewählt werden. Und wie in anderen Städten bleiben immer wieder Ämter unbesetzt, weil sich zu wenig Freiwillige finden. Allein in Heidelberg sind derzeit mehr als 25 ehrenamtliche Stellen beim Studierendenrat unbesetzt.

"Wir mussten hier eine komplette Behörde aus dem Nichts aufziehen", rechtfertigt Patrick Haiber die Startschwierigkeiten. Er kennt das Problem. Momentan bildet der 25-Jährige allein die Doppelspitze der Konstanzer Stuve. Das liege auch daran, dass man sich bisher hauptsächlich um administrative, eher dröge Dinge kümmern musste. "Inhaltlich ging im ersten Jahr gar nichts", resümiert er. Doch auch wenn sich das langsam ändert, rechnet er nicht mit hohen Wahlbeteiligungen: "Die sind ja nicht nur in Baden-Württemberg so niedrig".

Der Blick zu anderen Unis gibt ihm recht: Eine der höchsten Beteiligungen wurde Anfang des Jahres mit fast 30 Prozent in Göttingen gemessen, ein absoluter Spitzenwert; an den meisten Hochschulen liegt der Anteil nicht mal bei der Hälfte. Als Erklärung zieht Haiber daher auch nicht nur die Startprobleme heran, sondern diagnostiziert eine allgemeine Politikmüdigkeit. Hatte an seiner Uni die anfängliche Jubelstimmung die Wahlbeteiligung kurzzeitig auf 16 Prozent steigen lassen, ist sie in diesem Jahr schon wieder auf zwölf abgesackt.

Hochschulpolitisch aktive Studenten und Landespolitiker sind sich einig, dass die niedrige Wahlbeteiligung ein Problem ist. Darüber, wie es angegangen werden soll, besteht jedoch wenig Einigkeit. So wollen die Studierendenschaften an sich selbst arbeiten, mehr Eigenwerbung machen. Gleichzeitig fordern sie mehr Flexibilität für Studenten: "Mehr Freiräume im Studium, damit auch Zeit und Kraft bleibt, sich zu engagieren", wünscht sich Anna-Lena Osterholt von der Stuve Freiburg.

Andere möchten die Hemmschwelle senken: Die Wahl zum Event werden lassen will dazu die Stuve in Konstanz, etwa mit Grillen im Anschluss. Dort prüft auch gerade die Rechtsabteilung der Uni, ob Online-Wahlverfahren für Studenten-Gremien möglich sind. Kürzlich hatte auch die CDU im Stuttgarter Landtag die Einführung solcher Verfahren gefordert und dabei auf die maue Wahlbeteiligungen bei Baden-Württembergs Studenten verwiesen.

© SZ vom 31.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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