Vielleicht die Wohnung putzen oder Wäsche aufhängen? Selbst die unangenehmsten Pflichten erscheinen reizvoll, wenn der weiße Notebook-Bildschirm drohend auf dem Schreibtisch wartet. Noch kurz die neuesten Facebook-Nachrichten lesen und dann los. Aber da ist nur Leere, tumbes Rauschen.
Es gibt wohl kaum einen Studenten, der dieses Gefühl nicht kennt. Bei einer Umfrage an der Universität Bremen gaben rund 55 Prozent der Befragten an, dass sie Schwierigkeiten haben, überhaupt mit dem Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten zu beginnen. Jeder Zehnte hat schon einmal eine Hausarbeit komplett abgebrochen. Abhilfe bieten Schreibzentren. Sie haben vor Kurzem vereinbart, in Zukunft ihr Angebot an 25 Universitäten zu vernetzen. Hier können Studenten, die Schwierigkeiten bei der Hausarbeit, der Bachelorarbeit oder auch der Doktorarbeit haben, eine Schreibberatung bekommen.
Das Angebot richte sich nicht nur an die akuten Fälle, sagt Stephanie Dreyfürst. Sie leitet das Schreibzentrum der Goethe-Universität in Frankfurt. "Viele kommen auch, weil sie Probleme bei der Themenfindung haben oder sich unsicher sind, ob die Sprache wissenschaftlich genug ist." Es gebe zwar auch jene Studenten, die über mehrere Semester ihre Hausarbeiten nicht fertig bekommen und am Ende des Studiums am Stück sechs Arbeiten schreiben müssen. Die seien aber die Ausnahme.
Die Gründe, die sie vom Schreiben abhalten sind sehr unterschiedlich. "Viele haben ganz falsche Vorannahmen über das Schreiben. Sie glauben, dass der perfekte Text ganz mühelos und sofort brillant wird. Das erhöht den Druck." Andere fingen ganz einfach zu früh an, den Text zu überarbeiten und kämen dadurch nicht voran. Und manchmal hemme auch die Angst vor dem Dozenten, als einzigem Leser des Textes.
Man lernt an der Uni nicht wie man schreibt
Die Hemmung vor dem Dozenten soll den Studenten in den Schreibzentren genommen werden. Hier übernehmen die Beratung in den meisten Fällen Studenten, sogenannte Peer-Tutoren. Eine von ihnen ist Hannah Matzoll. Sie studiert in Bochum Linguistik und Philosophie. "Der Vorteil ist, dass wir den Studenten auf Augenhöhe begegnen, weil wir die Herausforderungen kennen."
Denn nach der Schule werde man meist ins kalte Wasser geworfen. Man lerne zwar wissenschaftlich zu arbeiten, aber nicht wie man schreibt. Ähnlich sieht es Dreyfürst. Denn als Erstsemester fehlten oft "passende Argumentations- und Planungsstrategien". Zudem präge den deutschen Wissenschaftsbetrieb oft die Vorstellung: "Es zählt die Idee und der Inhalt, aber die Verpackung ist unwichtig."
Oft helfe es, den Schreibprozess in Teilaufgaben zu zerlegen
Hans Krings, Professor für angewandte Linguistik in Bremen, fordert daher mehr konkrete Hilfe. "Schreiben ist kompliziert" und ein Dozent könne seinen Studenten nur die handwerklichen Dinge beibringen. Um tiefer ins Schreiben einzusteigen, dafür fehle häufig die Zeit. Deshalb hat Krings den "Schreibcoach" mitentwickelt. Seit 2012 kann jeder, der Schwierigkeiten beim Schreiben hat, den Online-Trainer nutzen. Insgesamt gab es seit dem Start der Plattform rund 2,7 Millionen Zugriffe.
Weil die Probleme so unterschiedlich sind, gibt es auch kaum Standard-Lösungen. "Wichtig ist, genau nachzufragen, um dann mit dem Studierenden gemeinsam ein Konzept zu erarbeiten," sagt die Schreibtutorin Matzoll. "Denn für den Inhalt und das Thema ist er der Experte."
Oft helfe es aber schon, den Schreibprozess in mehrere Teilaufgaben zu zerlegen, sagt Krings.
Den Schreibcoach findet man unter www.bremer-schreibcoach.uni-bremen.de