Online-Studiengang "Unternehmertum":Kann nicht gibt's nicht

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Ein Angebot für unabkömmliche Manager: Online studieren und gleichzeitig die Firma leiten - an der Dualen Hochschule Karlsruhe können Firmenchefs und Jungunternehmern am Arbeitsplatz studieren.

Interview von Verena Wolff

Armin Pfannenschwarz weiß aus der Praxis, dass Unternehmer wenig abkömmlich sind für Weiterbildungen: Nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bamberg hat er das Unternehmen seiner Familie, einen mittelständischen Zulieferbetrieb der Automobilindustrie, übernommen. Nach dem strategischen Verkauf der Firma wurde er 2003 auf eine Stiftungsprofessur an die Hochschule Pforzheim berufen. Dort leitete er den bundesweit ersten MBA-Studiengang speziell für Unternehmensnachfolger. Seit 2008 lehrt er an der Dualen Hochschule Karlsruhe und ist für die Konzeption, Entwicklung und Leitung des Bachelor-Online-Studiengangs "Unternehmertum" verantwortlich.

SZ: Wer studiert Unternehmertum?

Armin Pfannenschwarz: Bei uns studieren etwa zur Hälfte Nachfolger und Gründer. Das Programm richtet sich nur an Unternehmer, die in der Praxis stehen - die entweder vorher eine Ausbildung gemacht, Berufserfahrung gesammelt oder ein Studium absolviert haben.

Warum braucht man ein solches Studium?

Um eine Firma zu leiten, braucht man neben der fachlichen Fundierung eine Aufbau-Qualifikation, denn die Anforderungen sind gestiegen. Früher wurden Unternehmer langsam an die Führung einer Firma herangeführt, in die Prozesse eingebunden, sind in den Job hereingewachsen - und konnten auch mal einen Fehler machen. Das geht heute nicht mehr. Es geht bei jedem Unternehmen um große Summen, die Welt ist viel schneller geworden. Unser Studiengang ist der einzige, der genau für die Zielgruppe entwickelt wurde. Wir sind anders aufgestellt als etwa ein Studium Entrepreneurship" oder ein BWL-Studium mit dem Schwerpunkt Unternehmensführung. Im Curriculum sind genau die Inhalte, die für aktive Unternehmer relevant sind.

Seit 2008 gibt es das Studium offline in Karlsruhe, im vergangenen Jahr ist der erste Online-Jahrgang gestartet. Gibt es Bedarf?

Ja. Wir hatten immer wieder Anfragen von Interessierten, die weit weg von Karlsruhe leben und nicht drei Jahre lang jedes Wochenende zu uns pendeln können. Allerdings haben wir zunächst keine Software gefunden, die wir für passend hielten - denn wir wollten die Vorlesungen und auch die Gruppenarbeit live abhalten und nicht als Video in Youtube stellen. Als wir schließlich etwas gefunden haben, das auch zu unserem Hochschultyp passt, haben unsere Offline-Studierenden ein Jahr lang das Programm getestet, wir haben Feedback eingesammelt und das entsprechend optimiert. Auch datenschutzrechtlich ist alles unbedenklich, obwohl wir ein offenes System haben.

Welche technischen Voraussetzungen müssen die Studierenden erfüllen?

Die Anforderungen sind recht gering: Man braucht einen Rechner mit einer Internetverbindung, eine Webcam ist heute ohnehin fast in jedem Laptop verbaut, und ein Headset. Man kann eigentlich von überall teilnehmen, auch aus dem Ausland - das ist für viele Studierende wichtig, weil sie ja mitten im Berufsleben stehen und manchmal reisen müssen. Per App kann man sich zur Not auch mal mit dem Handy einloggen - da hat sogar schon mal ein Studierender die Vorlesung bei einer Fahrt im ICE gehört.

Wie funktioniert das Online-Studium praktisch?

Einloggen, Kamera und Mikro anmachen - das sind die ersten Schritte. Die Online-Vorlesungen verlaufen im Prinzip genau wie die in Karlsruhe: Der Dozent kommt in den "Raum", begrüßt die Studierenden, er referiert sein Thema, kann Präsentationen zeigen. Und dann wird gemeinsam diskutiert, gearbeitet, Übungsaufgaben werden gelöst, an konkreten Problemen der Unternehmen gefeilt. Alle sehen sich ständig per Videostream und hören sich per Mikro und Kopfhörer, man kann also ganz normal miteinander kommunizieren. In kleinen Teams erarbeiten die Studierenden regelmäßig zu dritt oder zu viert die konkrete Umsetzung eines besprochenen Themas für ihre Unternehmen.

Das klingt alles sehr effizient - aber gibt es gar keine Präsenzphasen?

Die erste Woche im Semester ist eine Blockwoche, da kommen alle Online-Studierenden für sechs Tage in Karlsruhe zusammen. Wir lernen uns kennen, ein Vertrauensverhältnis muss entstehen. Danach sehen wir uns virtuell viermal die Woche, immer jeweils drei Stunden am Montagnachmittag und Dienstagvormittag sowie am Freitagnachmittag und Samstagfrüh. Vom Volumen her sind das genauso viele Stunden, wie die Studierenden in Karlsruhe auch haben. Wir sehen, dass der Gruppenzusammenhalt beim Online-Kurs hervorragend ist, da werden alle Möglichkeiten der virtuellen Welt ausgenutzt - nicht nur schließt man sich über die verschiedenen Messenger zusammen, auch bei WhatsApp wurden schon verschiedene Gruppen eingerichtet. Die Studierenden können auch außerhalb der Vorlesung jederzeit die Videoplattform nutzen, etwa für Lerngruppen.

Man lernt also auf verschiedenen Ebenen?

Unser Studiengang ist so etwas wie eine Innovationsplattform, sowohl für die Studierenden als auch für die Hochschule. Vor dem Beginn des Online-Studiums hatten wir uns vorgenommen, 90 Prozent der Qualität zu schaffen, verglichen mit herkömmlicher Lehre. Aktuell sind wir bei 105 Prozent. Mit der Technik können wir teils besser und effizienter arbeiten. Der Reibungsverlust fehlt, den es in den Seminarräumen gibt - daher haben wir weniger Zeitverlust. Zudem kann man die dreistündigen Veranstaltungen besser in einen Tagesablauf einpassen. Das kommt vielen Studierenden entgegen, die eine Familie und Kinder haben. Wichtig ist auch, dass bei uns alles live abläuft, es wird nichts aufgezeichnet: Die Dozenten sollen spontan agieren können, und die Studierenden sollen präsent sein. Wir erwarten 80 Prozent Anwesenheit, online wie offline. Wer seltener da ist, muss eine schriftliche Arbeit abliefern, um die Fehlzeit auszugleichen. Würden wir eine Video-Bibliothek der Vorlesungen anlegen, gäbe es keine Interaktion der Gruppe mehr, weil jeder den Stoff zu einer anderen Zeit anschauen würde. Genau das wollen wir nicht.

Und wie funktionieren die Prüfungen?

Die mündlichen Prüfungen nehmen wir jetzt schon online ab, schließlich gibt es keine großen Möglichkeiten zur Manipulation. Viele Prüfungsleistungen müssen ohnehin schriftlich erbracht werden, fast alle Prüfungen schreiben die Studierenden zu realen Problemen aus ihrem Unternehmen. Eine Klausur pro Semester wird noch in Karlsruhe geschrieben, doch hier geht es uns um den Lernertrag. Für die Klausur, die zwei Stunden dauert und "open book", also mit beliebigen Materialien, verläuft, nehmen wir uns den ganzen Tag Zeit. Die Studierenden bekommen eine Fallstudie, in der ein Unternehmen vorgestellt wird - und dazu bekommen sie Aufgaben, ausschließlich zur Anwendung und zum Transfer, keine auswendig gelernten Fakten. Das hat man entweder verstanden oder nicht.

Wie ist die Resonanz?

Die Resonanz ist so groß, dass Mitte Oktober gleich der nächste Online-Kurs startet, der schon beinahe voll ist. Wir haben Teilnehmer aus ganz Deutschland, die in Karlsruhe nicht studieren könnten. Es gibt im Grunde auch keine Ländergrenzen, wir könnten auch Studierende aus anderen Ländern annehmen - mehr noch, wenn die Unterrichtssprache Englisch wäre. Aber so weit sind wir noch nicht.

© SZ vom 24.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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