Kroatien:Verfassungsgericht stoppt Sexualkunde an Schulen

Lesezeit: 1 min

Das Fach "Gesundheitserziehung" sorgt in Kroatien für hitzige Diskussionen. Kirchenvertreter kritisieren, Schüler würden in Pornografie, Masturbation und Homosexualität unterrichtet. Jetzt hat das höchste Gericht des Landes den umstrittenen Sexualkundeunterricht ausgesetzt.

Seit Monaten waren die katholische Kirche und konservative Parteien in Kroatien Sturm gelaufen gegen das neue Fach "Gesundheitserziehung". Die Schüler würden in Pornografie, Masturbation, Empfängnisverhütung, "Sex ohne Emotionen", Homosexualität und Geschlechtskrankheiten unterrichtet, hieß es auf Flugblättern, mit denen die Kritiker gegen den neuen Sexualkundeunterricht mobil machten. Bis vors Verfassungsgericht gelangte der Streit um das umstrittene Bildungsprogramm schließlich - und das hat nun ganz im Sinne der Gegner entschieden.

Das höchste Gericht des Landes stoppte den schulischen Sexualkundeunterricht bis auf Weiteres. Die Unterrichtsmaterialien missachteten das Grundrecht der Eltern auf die Erziehung ihrer Kinder, hieß es zur Begründung. Der Staat müsse die Inhalte überarbeiten.

Die sozialdemokratische Regierung unter Staatspräsident Ivo Josipović hatte das Fach unter anderem als Reaktion auf die steigende Zahl von Teenager-Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüchen Minderjähriger eingeführt. Neben Sexualaufklärung stehen in Gesundheitserziehung auch Körperhygiene, Gewalt- und Suchtprävention - und eben das Thema "Sexuelle Gleichstellung der Geschlechter" auf dem Lehrplan.

Explosives Interview

Wohl auch wegen dieses Unterrichtsmoduls griff die katholische Kirche in Kroatien, die sich normalerweise aus der aktuellen Politik heraushält, die Regierung massiv an. Homosexualität ist in dem Land, in dem sich knapp 90 Prozent der 4,3 Millionen Einwohner zum Katholizismus bekennen, nach wie vor ein Tabuthema.

Im Dezember hatte der Streit seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht, als sich Staatschef Josipović als Agnostiker outete: "Ich akzeptiere, dass Gott existiert, aber meine Erfahrung hat das nicht bestätigt", sagte er in einem Zeitungsinterview. Hochrangige Kirchenvertreter wähnten daraufhin den Untergang des christlichen Adriastaates und initiierten die besagte Flugblatt-Aktion.

Die von katholischen Laien geführte Elternorganisation GROZD schlug noch harschere Töne an. Wie die Regierung die neue Sexualkunde durchgesetzt habe, sei "totalitaristisch und nicht demokratisch".

Bildungsminister Zeljko Jovanovic konterte damals: Die Bischöfe verbreiteten über das neue Schulfach nur "Lügen und Desinformation". Die Kirche vertrete "mittelalterliche Sichtweisen" und solle sich gefälligst aus der Schulpolitik heraushalten.

Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts wird Jovanovic nun wohl nicht darum herumkommen, sich mit den Kritikern an einen Tisch zu setzen.

© Süddeutsche.de/dpa/jobr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: