Hochschulen:Uni Potsdam: Machtmissbrauch an Rabbinerschule bestätigt

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Oliver Günther, Präsident der Universität Potsdam. (Foto: Christophe Gateau/dpa)

Es geht um die Vorwürfe von Machtmissbrauch und sexualisierter Belästigung, die sich um das Potsdamer Abraham Geiger Kolleg und das Institut für Jüdische Theologie drehen. Die Universität hat die Vorwürfe geprüft. Auch der bisherige Rektor meldet sich zu Wort.

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Potsdam (dpa) - Die Universität Potsdam hält den Vorwurf von Machtmissbrauch am Institut für Jüdische Theologie nach einer Prüfung für bestätigt, den der Duldung sexualisierter Belästigung dagegen nicht. Beide Vorwürfe richten sich gegen den Gründer und bisherigen Rektor der Rabbinerschule Abraham Geiger Kolleg, Walter Homolka, der auch Professor an dem Institut ist. Die Universität will Konsequenzen ziehen und die Strukturen an der School of Jewish Theology ändern. Homolka ist wieder als Professor im Dienst. Er wandte sich gegen die Vorwürfe. Das Institut und das selbstständige Kolleg hängen zusammen: Künftige liberale Rabbiner lernen an beiden zugleich.

Die fünfköpfige Untersuchungskommission der Universität kommt in ihrem Bericht zu dem vorläufigen Fazit: „Gegenüber Herrn Professor Homolka haben sich bislang die Vorwürfe des Machtmissbrauchs durch Ämterhäufung, durch Schaffung problematischer Studien- und Arbeitsverhältnisse, durch Karriereeingriffe bestätigt.“ Die Kommission sprach mit 20 Menschen, hinzu kamen 11 Einzelgespräche. Viele Befragte hätten zu Protokoll gegeben, dass Herr Homolka ein „Klima der Angst“ geschaffen habe, heißt es im Bericht. Um Sanktionen zu vermeiden, hätten Studierende und Mitarbeiter ihre Aufmerksamkeit übermäßig darauf richten müssen, Homolkas Erwartungen zu entsprechen.

Nicht nachweislich bestätigt hätten sich Vorwürfe seiner Duldung des Verhaltens sexualisierter Belästigung durch einen Dozenten am Kolleg. „Es konnte der Verdacht nicht bestätigt werden, dass Herr Homolka davon wusste“, sagte die Leiterin der Kommission, die zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Uni, Christina Wolff. Die Kommission prüfte nicht das Verhalten des Dozenten.

„Ich bin vor allem damit beschäftigt, unwahren Beschuldigungen des Machtmissbrauchs und der sexualisierten Belästigung vehement entgegenzutreten - und sie auch verbieten zu lassen“, sagte Homolka der Wochenzeitung „Die Zeit“. „Ja, ich war Chef und hatte Macht. Doch Machtgebrauch ist nicht schon Machtmissbrauch.“ Die Strukturen seien vielleicht nicht ideal. „Doch mich wundert, dass sich jahrzehntelang niemand daran störte, dass ich viele, meist arbeitsintensive Ämter bekleidete.“ Homolka sprach von Rufmord und einer Kampagne. „Alle Vorwürfe gehen letztlich auf einen ersten zurück: Ich hätte vertuscht, dass mein Lebenspartner, der auch am Kolleg arbeitete, einen pornografischen Clip an einen Studenten versendet hat.“ Er habe erst davon erfahren, als der Student den Vorfall angezeigt habe.

Im Mai waren Vorwürfe sexualisierter Belästigung durch einen Dozenten am Geiger Kolleg in einem Bericht der „Welt“ öffentlich geworden. Zuvor hatte es aus der Uni heraus Vorwürfe gegeben. Die Geschäftsführung des Kollegs räumte danach ein, dass gegen einen Mitarbeiter im Dezember 2020 und im Februar 2022 Vorwürfe erhoben wurden. Das Arbeitsverhältnis mit dem Dozenten endete Ende Februar. Laut Uni bestätigte sich, dass Bildmaterial verschickt wurde.

Es ging auch um den Vorwurf des Machtmissbrauchs. Homolka ließ seine Ämter nach Bekanntwerden der Vorwürfe ruhen. Er war Geschäftsführer des Geiger Kollegs für das liberale Judentum und des Zacharias Frankel College für das konservative Judentum, außerdem Vizedirektor der School of Jewish Theology der Universität und Vorsitzender der Leo Baeck Foundation. Der Zentralrat der Juden in Deutschland lässt parallel die Vorwürfe über eine Anwaltskanzlei prüfen.

Homolka ist wieder als Professor der Uni im Dienst. „Soweit wir nach erster Sicht des Berichts sehen, ergeben sich keine straf- und zivilrechtlichen Konsequenzen und damit auch keine beamtenrechtlichen Konsequenzen“, sagte Präsident Oliver Günther. Die Universität sehe keine Grundlage für ein Disziplinarverfahren. Homolka sei seit 1. Oktober wieder als Professor im Dienst. Die Beurlaubung sei zu Ende. Im Wintersemester habe er aber ein Forschungssemester.

Die Universität will Konsequenzen aus dem Bericht ziehen. „Unser aller Ziel ist es, dass wir die jüdische Theologie in Deutschland retten“, sagte Günther. Die Strukturen sollten ersetzt oder geändert werden. Die Leitungsfunktionen von Professor Homolka an der School of Jewish Theology sollten entflochten werden, es müsse mehr Transparenz geben. „Wir hätten alle genauer hinschauen sollen“, sagte Günther.

Am Kolleg selbst ist eine neue Struktur in Arbeit: Interimsdirektorin Gabriele Thöne teilte am Mittwoch mit: „Wir favorisieren die Umwandlung des Abraham Geiger Kollegs in eine unabhängige Ausbildungsstiftung.“

Die Union progressiver Juden in Deutschland kündigte an, sie wolle die Anregungen der Kommission ernst nehmen. „Es geht um die richtige Balance zwischen akademischer Freiheit und unserem Selbstbestimmungsrecht als religiöser Körperschaft, unser geistliches Personal auszuwählen.“ Vorsitzender ist Homolka, sein Amt ruht.

Die Kommission nahm auch den Vorwurf wissenschaftlichen Fehlverhaltens unter die Lupe. Dabei geht es zum Beispiel um die Frage, ob Homolkas Dissertation zu stark an eine andere unveröffentlichte Arbeit angelehnt sei. Das Gremium konnte laut Günther die Vorwürfe nicht abschließend prüfen, dies soll eine andere Kommission der Uni übernehmen.

Zu Förderern und Unterstützern des Geiger Kollegs gehören unter anderen das Bundesbildungsministerium, die Kultusministerkonferenz, das Land Brandenburg und der Zentralrat der Juden in Deutschland. Homolka erhielt 2015 für seine Verdienste um die Ausbildung von Rabbinern in Deutschland das Bundesverdienstkreuz.

© dpa-infocom, dpa:221026-99-267527/6

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