Hilfe bei der Studienwahl:Schnupperkurs für Unentschlossene

Lesezeit: 3 min

Studieren ja - doch was? Soll man eher eine stark berufsbezogene Richtung einschlagen oder sich vielleicht doch an eine Geisteswissenschaft wagen? Ein mehrmonatiges "Studium generale" kann zweifelnden Abiturienten auf die Sprünge helfen. Denn dabei erhalten sie Einblick in unterschiedlichste Fachrichtungen.

Die Auswahl ist riesig: Etwa 7000 Bachelorstudiengänge gibt es zurzeit in Deutschland. Doch welchen wählen? Für Unentschlossene ist ein einjähriges Studium generale eine gute Idee. "Es ist empfehlenswert für die, die sich überhaupt nicht für eine Fachrichtung entscheiden können", sagt Birgit Dömkes, Berufsberaterin bei der Arbeitsagentur in Heidelberg.

Etwa 700 Bachelorstudiengänge gibt es in Deutschland - Abiturienten fällt da die Wahl ihres Studienfaches oft schwer. Ein "Studium generale" kann Orientierung schaffen. (Foto: dapd)

"Und für die, die Zweifel haben, ob ein Studium überhaupt das Richtige für sie ist." In der Tendenz seien das immer mehr Abiturienten. "Das Angebot ist so riesig. Viele wissen gar nicht mehr, wo sie anfangen sollen."

Unter dem Studium generale versteht man in Deutschland zwei Dinge. Zum einen eine für alle offene und meist nicht verpflichtende Vorlesungsreihe an der Universität, in der Professoren aus allen Fachrichtungen Einblicke in ihr Gebiet gewähren. Eine solche Vorlesung kann jeder Student parallel zu seinem Fachstudium besuchen.

Zum anderen versteht man darunter ein Projekt, meist zwei Semester lang, das der Studienorientierung von Abiturienten dient. Manche sind an der Universität eingeschrieben, andere nicht.

Allen gemeinsam ist jedoch, dass sie in dieser Zeit in der Gruppe gemeinsam verschiedene Fachrichtungen in Vorlesungen und Seminaren ausprobieren und so nach und nach entdecken können, was ihnen liegt. Im Idealfall hören sie Vorträge von Philosophie bis Physik, von Jura bis Musik - ein intellektueller Selbstfindungstrip.

"Nach zehn Monaten wissen alle, was sie interessiert"

Die Reise zu ihren Interessen starten jedes Jahr circa 50 Abiturienten im Leibniz Kolleg in Tübingen. "Unsere Kollegiaten bekommen eine Einführung in die Methoden wissenschaftlichen Arbeitens", erklärt Michael Behal, Leiter des Kollegs. Dann können sie wählen zwischen Seminaren aus den Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften, Rechts- und Sozialwissenschaften. Dazu gibt es Arbeitsgruppen in Fotografie, Theater oder Creative Writing.

Die Seminare leiten Dozenten des Leibniz Kollegs und der Universität Tübingen. Fast ein Jahr dauert das Kolleg. Während dieser Zeit leben die Kollegiaten gemeinsam in einem Haus in Tübingen. Umsonst ist das Jahr nicht, doch die Kosten sind moderat. Pro Monat liegen sie mit Unterkunft ohne Verpflegung bei 440 Euro. Bei Bedürftigkeit müssen nur 200 Euro pro Monat bezahlt werden.

Ein Jahr zusammen unter einem Dach - das schweißt zusammen. "Hier entstehen Freundschaften fürs Leben", sagt Behal. Leistungspunkte für das spätere Studium bringe das Jahr zwar nicht. "Aber die meisten hatten zehn Monate, um sich zu entwickeln. Nach der Zeit wissen alle, was sie interessiert."

Das Leibniz Kolleg gibt es seit 1948. Damals gründete es die französische Militärregierung, um den jungen Deutschen nach dem Krieg demokratische Erziehung angedeihen zu lassen.

Das Studium naturale an der Technischen Universität München ist viel jünger. Es gibt das Projekt zum Wintersemester 2012/2013 erst zum zweiten Mal. "Natürlich experimentieren wir noch ein bisschen", sagt Miriam Mann, Leiterin des Studium naturale. Ausgelegt ist es für bis zu 106 Studenten. Im letzten Jahr waren es aber erst 26. Anders als in Tübingen sind die Teilnehmer des Studiums naturale an der Technischen Universität regulär als Studenten immatrikuliert.

Sie wohnen auch nicht gemeinsam in einem Haus, sondern suchen sich in München eine eigenen Wohnung. Und einige der Scheine, die sie erwerben, können sie sich für ihr späteres Studium anrechnen lassen. Das Konzept jedoch ähnelt dem in Tübingen. Ähnlich wie beim Leibniz Kolleg soll das Studium naturale der Studienorientierung dienen.

Es können allerdings ausschließlich naturwissenschaftliche Studiengängen ausprobiert werden. "Es gibt so viele Bachelor-Studiengänge. Das Studium naturale soll helfen, den richtigen zu finden", so Mann. Auf dem Stundenplan stehen für alle verpflichtend gemeinsame Seminare in Mathe, Physik, Bio und Chemie. Nach den zwei Semestern Orientierungsphase sind dann die meisten bereit, sich für ein Fach zu entscheiden.

"Studium generale" - eine Horizonterweiterung

Schließlich muss noch das Leuphana-College in Lüneburg erwähnt werden. Hier ist das Konzept wieder ähnlich - und doch ganz anders. Dort absolvieren alle Studenten gemeinsam das erste Semester. Breitgefächert hören sie Vorlesungen aus allen Fachrichtungen, um den Horizont zu erweitern. Erst danach geht das Fachstudium richtig los. Das Nebenfach kann nach dem Orientierungssemester noch einmal gewechselt werden.

"Bei uns ist es kein Vorbereitungsjahr auf die Uni, sondern es ist bereits das erste Semester an der Uni", erläutert Karin Beck von der Leuphana Universität Lüneburg. Sie ist eine begeisterte Anhängerin des Studium generale: "Der Blick auf das Ganze ist wichtig, denn es schult die intellektuelle Denkfähigkeit und bringt einen dazu, Fragen zu stellen."

Wenn es nach Michael Behal, dem Leiter des Leibniz Kolleg in Lüneburg geht, sollten alle Abiturienten die Möglichkeit für ein Studium generale bekommen. "Das gilt zumindest, seit es den dreijährigen Bachelor gibt. Die Leute sind so arg aufs Credit-Point-Sammeln verpflichtet, da ist es wichtig, auch einmal über den Tellerrand zu schauen."

© Kristin Kruthaup/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: