Digitale Medien:"Bildschirme sind die grauen Herren der Kindheit"

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Paula Bleckmann ist Professorin für Medienpädagogik an der Alanus-Hochschule in Alfter. Sie forscht zu Mediensuchtprävention und digitaler Bildungspolitik und gehört der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler an. (Foto: S. K. U. B. Fotostudio)

Wie Eltern ihre Kinder vor den Risiken von Smartphone & Co. beschützen.

Interview von Susanne Klein

SZ: Frau Bleckmann, Ihr soeben erschienenes Buch "Heute mal bildschirmfrei" erklärt Eltern auf gut 300 Seiten, wie sie die Reizüberflutung ihrer Kinder durch digitale Medien eindämmen können. Haben Eltern das nicht mehr im Griff?

Paula Bleckmann: Jedenfalls sind viele Eltern verunsichert. Einerseits möchten sie ihre Kinder vor den Risiken von Smartphones und Computerspielen schützen, andererseits wollen sie ihnen nicht die Chancen der digitalen Welt verbauen. Und viele wüssten einfach gern, wie es ohne Streit gelingt, mal bildschirmfrei zu machen. Das ist ein hindernisreicher Weg.

Welche Hindernisse sind das?

Schon Grundschulkinder nörgeln: "Alle anderen haben aber ein Smartphone!" Bekannte warnen vor einer sozialen Isolierung des Kindes. Und einige Pädagogen behaupten, zur Förderung der frühen Medienkompetenz brauche man bereits im Kindergarten Tablets. Kluge, kritische Eltern möchten diese Hürden überwinden. Sie haben das Gefühl, dass es ohnehin schon sehr viel Bildschirmkonsum gibt, aber zu wenig entspannte Familienzeit ohne Bildschirm.

Was ist so gefährlich an Bildschirmen?

Eine Menge, ich gebe mal ein Beispiel: die Zeit. Bildschirmmedien sind so etwas wie die grauen Herren der heutigen Kindheit. Die grauen Herren bei Momo sagen, gib mir deine Lebenszeit, ich kann damit was Besseres anfangen als du. Das ist zwar gelogen, aber verführerisch. Der Bildschirm sagt dem Kind: Hey, das hier ist faszinierend, guck mal, wie cool, viel cooler als das, was du sonst tun würdest. Bildschirme üben einen magischen Magnetismus auf Kinder aus. Und am Ende haben sie zu wenig Zeit, um Freunde zu treffen, um in Ruhe zu essen, um draußen rumzurennen und genug zu schlafen - alles Dinge, die das Lernen fördern und die Gehirnentwicklung.

Was können Eltern dagegen tun?

Zuallererst können sie klare Regeln formulieren, etwa: Bei uns nur samstags. Das ist wie eine Eisessregel, wir essen nur sonntags Eis. Ist nicht Sonntag, gibt's auch keine große Diskussion. Außerdem macht es einen Unterschied, ob der Fernseher offen im Wohnzimmer steht oder im Schrank oder im Arbeitszimmer. Besonders bei kleinen Kindern gilt: Je weniger Anreize, desto weniger wird gestritten und gebettelt.

Und bei größeren Kindern?

Da gibt es Konflikte. Das ist normal, ist gut so, und es lohnt sich, sie durchzustehen.

Können Eltern auch in der Schule Einfluss nehmen?

Mein Co-Autor und ich haben dazu ein Kapitel als Theaterstück geschrieben: Der Leiter einer Grundschule will von einer Spende für die Kinder Tablets kaufen. Zwei Mütter und zwei Väter gründen eine Initiative für nachhaltige Medienbildung, lesen Studien, sammeln Argumente. Sie sprechen mit dem Schulleiter, stoßen auf viel Halbwissen und organisieren eine Podiumsdiskussion mit Experten. Engagierte Eltern finden in dem Stück ganz konkrete Handlungsoptionen und Informationsmaterial, das auch wissenschaftlich haltbar ist.

Was erreichen die Eltern in Ihrem Stück?

Dass die Lehrkräfte eine Fortbildung zu Mediensucht und Medienkompetenz machen, ein medienpädagogischer Elternabend ist auch dabei. Danach arbeitet das Kollegium ein Konzept aus: Erste und zweite Klasse bleiben vollständig digitalfrei; Grundlagen der Informatik vermittelt eine Lerneinheit, für die man keinen Computer braucht. Die dritte Klasse nutzt für ein zweiwöchiges Hörspielprojekt ein mobiles Tonstudio vom Kreismedienzentrum. In der vierten Klasse folgt ein Zeitungsprojekt mit geliehenen Tablets.

Und wohin fließt das Spendengeld?

Das steckt der Förderkreis in einen Bewegungsparcours auf dem Schulhof und in Bücher.

© SZ vom 12.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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